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Wen interessiert schon die Meinung des Betroffenen

Veröffentlicht am 08.08.2014

Ein besonders eklatantes Beispiel der Informationsverweigerung ist das Nichteingehen auf Argumente.

Ein Bürger hatte in der Anhörung vor Erlass des Bußgeldbescheides Argumente vorgebracht; darauf erhielt er den Bußgeldbescheid mit folgendem Hinweis:

Ihre Einwände haben wir bei unserer Entscheidung geprüft. Sie konnten Sie jedoch nicht entlasten.
aus einem Bußgeldbescheid 

Diese Formulierung erfüllt zwar die rechtlichen Bedingungen, ist aber völlig unzureichend, wenn der Beschuldigte in seinen »Einwänden« Fragen zum Sachverhalt vorgebracht hat. Das ist nicht selten der Fall, denn die Anhörungen, die dem Bußgeldbescheid vorausgehen, sind häufig sehr kryptisch und allgemein gehalten und geben zu Nachfragen Anlass.

So auch in diesem Fall:

Sie parkten verbotenerweise auf der Verkehrsinsel / bepflanzten Fläche / befestigten Fläche* außerhalb des Fahrbahnbereiches.

* befestigte Fläche Fahrbahnmitte

aus der vorangegangenen Anhörung 

Schon formal ist diese Darstellung lachhaft. Hier wurde das vor Jahrzehnten übliche Verfahren »Nichtzutreffendes bitte durchstreichen« 1:1 in ein IT-Verfahren umgesetzt, statt dafür unterschiedliche Selektionen zu schaffen. Aber auch bei vernünftiger Gestaltung ist diese Aussage unzureichend, denn es wird nicht dargelegt, warum auf der befestigten Fläche das Parken verboten ist. Mit dem Hinweis, dass die bauliche Gestaltung des Mittelstreifens auf eine zum Parken vorgesehene Fläche schließen lässt und auch keine Verbotsschilder aufgestellt waren, hatte der Beschuldigte um Erläuterung gebeten. Diese Erläuterungen wurden nicht gegeben, sondern ein Bußgeldbescheid geschickt.

(Solche Erläuterungen ließen sich am einfachsten telefonisch erteilen, doch zu telefonischen Auskünften war die Bußgeldstelle nicht imstande, weil ersten der bezogene Vorgang nie greifbar war, wann immer man dort auch anrief, und die Mitarbeiter in den eigentlichen Fall und seine Umstände ohnehin nicht involviert waren. Ein Problem, das im System liegt: Die auskunftsfähigen Außendienstmitarbeiter sind nicht erreichbar, die Innendienstmitarbeiter kennen nur den Code des Verstoßes ohne Details.)

Der lapidare Hinweis auf dem Bußgeldbescheid ist nach Meinung der Bearbeiter nicht nur ausreichend, sondern vermeintlich sogar rechtlich abgesichert:

Eingaben, die eine bereits erledigte Sache betreffen, ohne neue Tatsachen oder Gesichtspunkte zu enthalten, sollen einmal zurückgewiesen werden (z.B.: ”Auf Ihr Schreiben habe ich die Angelegenheit nochmals geprüft. Beanstandungen haben sich nicht ergeben."); weitere Eingaben in derselben Sache sollen unerledigt bleiben.
aus § 40 (1) GGO I Berlin 

Von Lästerzungen auch »Beamtenschutzklausel« genannt, besagt diese Vorschrift das genaue Gegenteil. Dem Halbsatz »ohne neue Tatsachen oder Gesichtspunkte zu enthalten« kommt die höchste Bedeutung zu. Sie sagt im Umkehrschluss eindeutig, dass beim Vortragen neuer Tatsachen oder Gesichtspunkte sehr wohl darauf einzugehen ist. Neue Tatsachen und Gesichtspunkte sind im zitierten Fall erst recht die vom Beschuldigten vorgebrachten Fragen, die sich aus den unklar formulierten Vorwürfen ergeben.

Der Bürger hat ein Recht darauf, dass ihm Vorwürfe klar und deutlich begründet werden. Wenn sich die Behörde unklar ausgedrückt hat und der Bürger deshalb Fragen stellt, sind diese konkret zu beantworten und nicht mit dem Hinweis, sie hätten nichts zur Entlastung beigetragen, zu ignorieren.

Die Angelegenheit wurde letztendlich vor Gericht verhandelt; erst dort wurde dem Beschuldigten die (in Fachkreisen durchaus strittige und zwischen den Bezirken unterschiedlich gehandhabte) Rechtslage deutlich gemacht. In der Hauptsache unterlag der Beschuldigte. Die wegen der sturen Haltung der Bußgeldstelle verursachten Verfahrenskosten trug allerdings letztendlich die Landeskasse.

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