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oerttel.net

Neunmal Unmut beim Amtsgericht

Veröffentlicht am 21.05.2020

Nein, es geht hier nicht um die üblichen juristischen Schikanen, denen
man sich als Bürger oft ausgesetzt sieht. Manches Gericht sorgt durch
physische Schikanen für zusätzlichen Unmut.

Es begab sich aber vor einigen Jahren,
 
dass die beste Ehefrau von allen zu einer Beurkundung und Unterweisung
beim Amtsgericht erscheinen musste. (Im Nachhinein ist festzustellen, dass
das auch per Brieftaube hätte erledigt werden können, aber wie gesagt, um
solcherlei Schikanen soll es hier nicht gehen.)

Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen; ich hatte das bei der telefonischen
Terminvereinbarung auch angegeben.

Eine Viertelstunde vor dem Termin erreichten wir die im
Einladungsschreiben genannte Adresse. Vier Stufen führten
zur verschlossenen Tür hinauf. (Unmut, der erste) Daran zwei Schilder:
»Bitte Eingang Hallesches Ufer 62 benutzen.« und
»Klingel für Behinderte links an der Mauer.«

Die Klingel für Behinderte fanden wir, leider funktionierte sie
offenbar nicht; jedenfalls meldete sich niemand. (Unmut, der zweite)

Also ab um die Ecke (da waren wir bei der Anfahrt schon
vorbeigekommen), 200 m weiter gibt es einen barrierefreien Zugang,
über den aber nicht das aufzusuchende Zimmer barrierefrei erreicht
werden kann. »Das ist bei der Erweiterung nicht berücksichtigt worden.
Die Stockwerkshöhen zwischen Neubau und Altbau sind unterschiedlich«,
erläuterte uns der Mensch an der Pforte. (Unmut, der dritte)

Zu diesem Zweck gebe es jedoch an der Rückseite des Gebäudes einen
rolllstuhlgerechten Eingang.

Also Marsch zurück, wieder am verschlossenen Eingang vorbei, um
die Ecke, tatsächlich, dort ist eine Tür mit Rollstuhlsymbol, aber zu!
(Unmut, der vierte)

Es reichte! Anruf bei der einladenden Geschäftsstelle, Verblüffung und
Bestürzung daselbst, man wisse auch nicht, wo der behindertengerechte
Zugang für diesen Flügel sei, (Unmut, der fünfte) aber man werde uns
zur Wache durchstellen, von dort könne uns jemand abholen und
hineinführen.

Der Wachmann – äh, sorry, man leistet sich für diesen Job natürlich
den Luxus eines Justizwachtmeisters – erklärte uns, dass wir noch
weiter um die nächste Ecke zur Hofeinfahrt kommen sollten, dort werde
er uns abholen.

Die Hofeinfahrt entpuppte sich als Rolltor, das Stammheim gut zu
Gesicht stehen würde. Der JWM führte uns zu einer Hintertür, hier
sollten wir auf ihn warten, er müsse den Aufzug holen.

Was für ein Glück, dass wir den kleinen Schieberolli genommen
hatten, denn mit dem Motorrollstuhl hätte meine Frau die verwinkelte
Zufahrt zu diesem Aufzug nicht geschafft. Man stelle sich das in etwa so vor:
(Unmut, der sechste)

Ziel erreicht, anderthalb Stunden wenig erbauliche Diskussion mit der
Rechtspflegerin und endlose Formularausfüllerei, die wir schon vorab
hätten erledigen können.

Endlich wieder raus hier!

Nee! Das bisherige Geschehen ließ sich toppen, denn vor das
Verlassen des Dienstgebäudes hat Justitia das Facility Management
gesetzt.

Der Rechtspflegerin fiel es wie Schuppen aus den Haaren: »Ach, jetzt
ist ja schon nach halb fünf! Um 16:30 werden doch die Aufzüge
abgeschaltet!« Darauf hätte sie aber auch etwas früher kommen können.
(Unmut, der siebte)

Abhilfe? »Ich muss mal versuchen, ob ich auf der Wache noch jemand
erreiche.«

Eine Viertelstunde später tauchte der JWM von vorhin wieder auf.
»Da haben Sie aber Glück. Ich wollte gerade Feierabend machen.«

Wie jetzt? Bis 18 Uhr sind Sprechzeiten, aber um 16:30 schließt der
Wachschutz und schaltet auch gleich die Aufzüge ab?
(Unmut, der achte)

»Ja, das wurde so eingeführt, weil die Aufzüge manchmal stecken
bleiben, und wenn dann die Wache nicht mehr besetzt ist, könnte es sein,
dass Mitarbeiter über Nacht festsitzen.« Ah ja, aber dass Behinderte
innerhalb der Sprechzeiten nicht mehr aus dem Haus kommen, kann
hingenommen werden. (Unmut, der neunte)

Meine Frau wollte nur noch raus; sie beruhigte sich erst wieder, als
das Stammheim-Tor hinter uns lag.

Vielleicht liest hier ja jemand mit, der einen barrierefreien Zugang
zum Justizsenator besitzt.
Schönen Gruß von uns!



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