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oerttel.net

Falscher Angeklagter oder fälschlich angeklagt?

Veröffentlicht am 06.08.2014

Die Benutzung eines falschen Wortes kann sogar ehrenrührig sein:

In der Strafsache gegen … hat das Gericht nunmehr festgestellt, dass Sie nicht der zutreffende Angeklagte sind. Der Fehler ist durch eine Namensverwechselung beim Amtgericht Leer zum Aktenzeichen … entstanden, wo Sie wegen Unterhaltspflichtverletzung angeklagt waren.
aus einem Einstellungsbescheid des Amtsgerichts Oldenburg (Oldb)

»nicht der zutreffende Angeklagte« impliziert, dass der Adressat sehr wohl ein Angeklagter sei, nur eben nicht der in diesem Verfahren richtige. Dabei hatte sich der Empfänger des Schreibens überhaupt nichts zu Schulden kommen lassen, sondern war Opfer einer Namensgleichheit geworden. Er war also im Gerichtsjargon ein »fälschlich Angeklagter«. Auch der Folgesatz, mit dem das AG Oldenburg eine eventuelle Schuld an das AG Leer verweist, enthält diesen falschen Vorwurf, denn auch dort war die Anklage fälschlich erhoben worden. Außerdem war beim AG Leer bei Abgabe der Akte der Irrtum bereits dokumentiert gewesen.

Korrekt wäre:

In der Strafsache gegen … wurde auf Grund Ihrer Darlegungen festgestellt, dass Sie nicht der Zahlungspflichtige sind. Wir bitten Sie, das Versehen zu entschuldigen.

Diese Kritik hat mir Vorwürfe aus Juristenkreisen eingebracht: Die Bezeichnung »Angeklagter« sei überhaupt nicht ehrenrührig, denn als gerichtlicher Terminus wäre sie wertfrei.
Das wird von der Mehrheit der Bevölkerung anders gesehen, wie ich durch die regelmäßige Verwendung dieses Beispiels in meinen Kursen immer wieder bestätigt bekomme. (Die Teilnehmer sind Verwaltungsmitarbeiter!)
Der juristische Standpunkt in dieser Sache zeigt also genau das, was immer wieder bemängelt werden muss: Missverständnisse beruhen immer auf fehlender Zielgruppenorientierung des Absenders. Nicht das Verständnis des Absenders ist maßgeblich, sondern das des Empfängers.

Weiterhin erläuterte mir ein Jurist, es sei für die Dokumentation erforderlich, in den Schriftstücken die Parteienbezeichnungen zu verwenden, weil es beim Lesen schwierig ist, die Namen den Parteien zuzuordnen. Zugegeben, dieses Argument ist stichhaltig, doch lediglich unter dem Gesichtspunkt der Dokumentation. Vorrangig ist aber, dass die Empfänger verstehen, was gemeint ist; es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, den Redakteuren der NJW die Arbeit abzunehmen!  

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