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oerttel.net

Wozu Schaltalgebra?

Veröffentlicht am 28.08.2014

Praktischer Nutzen der Schaltalgebra ist, dass Sie aus evtl. überzähligen Gattern eines Chips andere, nicht vorhandene Gatter emulieren oder eine Vielzahl von Chips durch einige wenige ablösen können. 

In der Übersicht zur Pinbelegung können Sie erkennen, dass die meisten Logik-IC intern »sortenrein« aufgebaut sind, sie enthalten mehrere Gatter einer Art. Benötigen Sie zum Beispiel für eine Schaltung ein UND-Gatter und ein NAND-Gatter, müssten Sie zwei Chips mit den entsprechenden Gattern verwenden, von denen jeweils drei unbenutzt bleiben.

Da jede NAND- und NOR-Schaltung bereits intern einen Inverter enthält,  funktioniert ein simpler Kurzschluss der beiden Eingänge NOR- oder NAND-Gatter zum einfachen Inverter um! Wenn Sie also z.B. für eine Schaltung ein NAND- und ein UND-Gatter benötigen, müssen Sie dazu keine zwei Chips vorsehen, es reicht ein Chip mit vier NAND-Gattern; eines davon setzen Sie auch direkt als solches ein, für das benötigte UND-Gatter nehmen Sie ein weiteres NAND-Gatter, dessen Ausgangssignal Sie an beide Eingänge eines dritten NAND-Gatters führen und so am Ausgang des dritten Gatters die UND-Information erhalten.

NAND und kurzgeschlossenes NAND ergeben UND

Das ist doch schon mal eine Erleichterung – und alles dank logischer Berechnung. Aber es kommt noch besser. Dazu müssen wir allerdings ein wenig tiefer in die Verknüpfungslehre der Booleschen Algebra einsteigen.

1+1=1

In der Logik gibt es aber keinen Wert, der größer als 1 ist, denn 1 steht für WAHR, und wahrer als wahr geht nun mal nicht. Wenn beide Eingänge einer ODER-Verknüpfung wahr sind, ist eben auch der Ausgang wahr; in die Boolesche Algebra übertragen heißt das 1+1=1.

Verwirrend, aber logisch, wenn man die Hintergründe erst mal kennt.

Umgangssprachlich gehen wir mit dem Wort „oder“ recht schlampig um, denn es kann dabei zwei grundverschiedene Bedeutungen haben. Betrachten Sie bitte folgende Aussagen:

1: »Ich werde losgehen, wenn ich den Zug höre oder sehe.«
2: »Der Zug fährt von Gleis 2 oder von Gleis 5 ab.«

In beiden Aussagen kommt das Wort »oder« vor, doch in unterschiedlicher Bedeutung. In der ersten habe ich die Möglichkeit, den Zug zuerst zu hören oder ihn zuerst zu sehen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass ich ihn zugleich höre und sehe. In allen drei Fällen werde ich losgehen. Auf die Schaltalgebra übertragen heißt das, die Bedingung des ODER-Gatters ist erfüllt, wenn der Zug zu sehen ist oder zu hören ist oder beides gleichzeitig. In der zweiten Aussage dagegen markiert das »oder« eine zwingende Alternative. Der Zug kann nur von einem der beiden Gleise abfahren. Eine Eingangsinformation, die beide Gleise als WAHR kennzeichnet, kann nur UNWAHR sein! Wir haben es hier mit einem exklusiven ODER zu tun, in der Informationslehre auch als EXOR bezeichnet. Die Wahrheitstabelle einer EXOR-Verknüpfung sieht so aus:

EXOR

0

1

 

 

 

EXNOR

0

1

0

0

1

0

1

0

1

1

0

1

0

1

Wahrheitstabelle EXOR

Wahrheitstabelle EXNOR

Natürlich gibt es auch das EXOR-Gatter mit integriertem Inverter vor dem Ausgang, womit es zum EXNOR-Gatter wird.

Weitere Substitutionen

In der Booleschen Algebra muss man gelegentlich umdenken, und nun kommt es ganz abstrus, dennoch nützlich für Elektronik-Basteleien mit Logik-Gattern.

In der Schule haben wir alle es im Mathe-Unterricht gelernt: »Punktrechnung kommt vor Strichrechnung!« Multiplikation und Division sind Addition und Subtraktion übergeordnet. In der Booleschen Algebra dagegen herrscht Gleichberechtigung. Es ist egal, ob Sie in einer komplexen Formel erst die UND- und dann die ODER-Verknüpfungen lösen oder umgekehrt oder wild durcheinander. Die Klammer in der  Formel A + (B · C) lässt sich in (A+B) · (A+C) auflösen, ebenso wie aus A · (B + C) ein (A · B) + (B · C) wird.

An dieser Stelle muss noch eine Definition eingeführt werden: Invertierte Werte werden durch einen Apostroph oder Überstrich gekennzeichnet. (Da Überstrich in Webseiten nicht funktioniert, hier also Apostroph.) 

A‘ ist ein invertiertes A. Die Formel (A · B)‘ steht für eine NAND-Verknüpfung.

Nehmen wir nun einmal folgenden, nicht unbedingt seltenen Fall an: Sie benötigen in einer Schaltung ein einziges UND-Gatter. An anderer Stelle der selben Schaltung haben Sie von den vier NOR-Gattern eines anderen Chips ebenfalls nur einen im Einsatz. Damit hätten Sie beide IC mit 75% Schwund auf der Platine. Das muss nicht sein, und die Boolesche Algebra hilft auch hier.

Es gibt da nämlich eine wundersame Regel, die besagt, dass in einem Term alle Elemente negiert werden können, wenn zugleich der gesamte Term negiert und die Verknüpfung ausgetauscht werden. Als Formel ausgedrückt heißt das

A · B = (A‘ + B‘)‘

Verrückt? Keineswegs, denn es stimmt:

A · B

 

 

 

(A‘+B‘)‘

A

A‘

B

B‘

 

A‘+B‘

 

 

 

(

)‘

UND

0

1

 

 

 

 

 

 

 

ODER

1

0

 

 

 

0

0

0

 

 

0

1

0

1

 

1

1

1

 

0

0

1

0

1

 

 

1

0

1

0

 

0

1

0

 

0

1

Operatorentausch mittels Invertierung

 

Setzen wir die Formel in eine Schaltung um, so lassen sich alle benötigten Funktionen ausschließlich durch NOR-Gatter realisieren. Ein NOR-Gatter benötigen wir für die schon erwähnte eigentliche NOR-Verknüpfung. Zwei weitere missbrauchen wir als Inverter für die Eingänge der UND-Funktion, deren Ausgangssignale leiten wir zu den Eingängen des noch verbliebenen vierten NOR-Gatters – fertig! Ein IC voll ausgelastet, zweiter IC wird nicht benötigt.

Diese Formel lässt sich nun – wie aus der herkömmlichen Algebra gewohnt, nochmals komplett invertieren („mit -1 malnehmen“), wobei sich auf der rechten Seite der Gleichung die beiden Invertierungen aufheben. Wir erhalten damit

(A · B)‘ = A‘ + B‘

Ein NAND-Gatter ersetzt also die ODER-Funktion für zwei invertierte Eingangssignale.

Auch umgekehrt funktioniert das Ganze:

A + B = (A‘ · B‘)‘

(A + B)‘ = A‘ · B‘

Mit diesem Wissen wird Ihnen nun sicher auch so manche auf den ersten Blick irritierende Gatter-Kombination in irgend welchen Schaltungsvorlagen klar. In solchen Fällen wurde der Ökonomie der Vorzug vor der 1:1-Umsetzung von Logik-Funktionen gegeben. 

Rechts einige weitere typische Substitutionen zur Schaltungs-Ökonomie; erster Ansatz: Wichtig ist, am Ende nur Gatter einer Sorte zu erhalten.

 

Damit lassen sich auch Abläufe in Weichenstraßen hervorragend erfassen und schaltungstechnisch umsetzen, was ich an einem simplen Beispiel verdeutlichen möchte:

Ein solcher Gleisabschnitt dürfte in dieser oder ähnlicher Form auf diversen Modellbahnanlagen existieren. Ein Nebenbahngleis mündet in die doppelgleisige Hauptstrecke. [Die Bezeichnungen der Gleise und Weichen stimmen nicht mit der EBO überein, aber dafür lassen sie sich leichter in eine algebraische Formel übernehmen.] 

Wer die Betriebssicherheit wichtig nimmt, wird dafür sorgen, dass ein Zug nur unter ganz bestimmten Bedingungen von Gleis A der Nebenbahn auf Gleis C der Hauptbahn kann: Weder auf Gleis B noch auf Gleis C darf Verkehr herrschen.

Diese Bedingung auf Logik umgesetzt ergibt: Das Signal Q darf nur dann Freie Fahrt zeigen, wenn auf Gleis B KEIN Verkehr herrscht UND auf Gleis C ebenfalls KEIN Verkehr herrscht. Kurz: Q ist WAHR, wenn NICHT B UND NICHT C.

Oder als Formel: Q = B‘ · C‘

Wir benötigen also zur Realisierung dieser Bedingung zwei Inverter und ein UND-Gatter. So etwas hatten wir schon: 

B‘ · C‘ = (B + C)‘

Diese Bedingung lässt sich also einfach mit einem NOR-Gatter erfassen. Und damit ist auch der empirische Beweis für die Richtigkeit der Formel erbracht. Q ist NICHT WAHR, wenn B oder C; langtextlich: Das Signal Q darf NICHT Freie Fahrt zeigen, wenn auf Gleis B ODER auf Gleis C Betrieb ist.

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