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Amtssprache: Ursachen

Kompetenzzweifel

Es gibt Geschäfts­ver­tei­lungs­pläne, es gibt Zustän­dig­keits­ka­ta­loge und Kompetenz­zuweisun­gen. Das ist gut so, doch ge­le­gentlich verste­cken sich Behörden(bedienstete) zu Unrecht hinter angeb­li­cher oder vermeint­li­cher Nichtzuständigkeit.

Die Been­di­gung von Arbeits­ver­hält­nis­sen durch Kündi­gung oder Auflösungs­vertrag bedür­fen zu ihrer Wirk­sam­keit der Schrift­form; die elek­tronische Form ist ausgeschlossen.

§ 623 BGB

Der gram­ma­ti­ka­li­sche Lapsus des Wech­sels zwischen Singu­lar und Plural springt ins Auge. Etli­che Juris­ten und Verwal­tungs­mit­ar­bei­ter haben ihn sofort nach der Veröf­fent­li­chung erkannt und das Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­rium darauf hingewiesen.

Dort versprach man auch Abhilfe bei der nächs­ten Ände­rung des BGB. Diverse Ände­run­gen des BGB fand inzwi­schen statt, doch der Fehler ist immer noch drin. Warum?

Weil man beim BMJ unter dem bekann­ten Zustän­dig­keits­grund­satz nicht etwa einfach korri­gierte, sondern einen Korrek­tur­auf­trag an das für diesen Para­gra­fen inhalt­lich zustän­dige Bundes­mi­nis­te­rium für Arbeit und Sozi­al­ord­nung gab. Dort wurde er aber nicht bear­bei­tet, sondern erst einmal auf die lange Bank gescho­ben, bis wieder eine vom BMAS zu vertre­tende BGB-Ände­rung notwen­dig wird. Das kann dauern …

Soweit das Origi­nal­zi­tat aus meinem vor mehr als zehn Jahren erschie­ne­nen Skript. Der Fehler ist bis heute nicht korri­giert. Wahr­schein­lich ist der für die Ände­rung zustän­dige Bear­bei­ter in den Ruhe­stand gegan­gen und die Stelle wurde einge­spart (vgl. 2. Beispiel).

Um es einmal ganz deut­lich zu sagen: Jeder Beschäf­tigte im öffent­li­chen Dienst sollte der Recht­schrei­bung und Gram­ma­tik mäch­tig sein – daraus ist unmit­tel­bar Sprach­kom­pe­tenz abzuleiten.

Aus dieser »gewag­ten« These resul­tiert auch, dass man sich nicht scheuen sollte, einen sprach­lich nicht korrek­ten Text, den man zur weite­ren Bear­bei­tung auf den Tisch bekommt, zu korri­gie­ren, selbst wenn man in der Sache an sich nicht zustän­dig ist.

Korrekte und verständ­li­che Spra­che ist prak­ti­zierte Bürger­nähe und damit Ange­le­gen­heit aller Behördenmitarbeiter!

Der im Kapi­tel »Betriebs­blind­heit« erör­terte Vordruck Owi 76 des AG Tier­gar­ten berei­tet schon lange Schwie­rig­kei­ten, das ist den Verant­wort­li­chen bis hoch in die Leitung der Senats­ver­wal­tung für Justiz auch bekannt. Doch was erhält man für eine Auskunft, wenn man danach fragt, wann daran etwas geän­dert wird?

»Der Vordruck wird seit Jahr­zehn­ten verwen­det. Wir haben ihn schon oft moniert, aber der Beamte, der ihn entwi­ckelte, ist in den Ruhe­stand gegan­gen und seine Stelle wurde gestri­chen. Nun fühlt sich niemand mehr zuständig.«

Dieses Zitat ist eine der absonderlich­sten Auswir­kun­gen der Perso­nal­ein­spa­run­gen. Sicher, mit der Stel­len­re­du­zie­rung müssen Aufga­ben wegfal­len, das ist Kern­punkt aufga­ben­kri­ti­scher Refor­men. Aber dass für elemen­tare Ange­le­gen­hei­ten wie die Vordruck­ge­stal­tung in ei­nem Riesen­ap­pa­rat wie dem Kammerge­richt plötz­lich niemand mehr zustän­dig sein soll, ist kaum zu fassen. Immer­hin müssen ja auch irgend­wel­che Leute neue Rechts­la­gen in Vordru­cke einar­bei­ten. In dieser Äuße­rung ist wiederum eine Art Scheu­klap­pen­syn­drom zu erkennen:

»Ich habe mein Arbeits­ge­biet und meine Arbeits­mit­tel kommen von irgendwo her und ich mache mir darum keine weite­ren Gedanken.«

Wer weiter nach­forscht, erfährt Haarsträubendes:

Die Spre­che­rin der Justiz­ver­wal­tung, auf diesen Miss­stand ange­spro­chen, erklärt doch allen Erns­tes, dass sie das auch ganz schlimm finde, aber nichts tun könne, weil dieses Formu­lar Ange­le­gen­heit des Kammer­ge­richts sei.

Hallo? Welcher Verwal­tung ist das Kammer­ge­richt denn unter­stellt? Habt Ihr kein Direk­ti­ons­recht mehr? Oder gilt die viel­ge­prie­sene rich­ter­li­che Unab­hän­gig­keit neuer­dings auch für die Gestal­tung von Formularen?

Da muss man sich nicht wundern, wenn ange­sichts einer an der eige­nen Kompe­tenz zwei­feln­den Aufsichts­be­hörde auch die Mitar­bei­ter der nach­ge­ord­ne­ten Einrich­tung an den eige­nen Rech­ten und Fähig­kei­ten zweifeln.