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Amt#spra$e

Ursache: Politische Korrektheit

Befind­lich­kei­ten, Woke­ness und sons­tige Einfluss­fak­to­ren beein­träch­ti­gen das konkrete Beschrei­ben eines Sach­ver­halts. Wo »früher« ein klar defi­nier­ter Begriff benutzt werden konnte, muss nun »schwam­mig« formu­liert werden. Dieser Aspekt ist aller­dings gar nicht so neu. Auch in alten Formu­la­ren finden sich Begriffe, denen man sofort anmerkt, dass man sich vor der konkre­ten Bezeich­nung drücken wollte.

Sind Sie an Alko­hol gewöhnt?  ja  nein
Wenn ja, wie viel trin­ken Sie täglich? ______________________

aus einem amts­ärzt­li­chen Fragebogen

Wie ist diese Frage zu deuten? Vom Wort­laut her sicher anders als von ihrer eigent­li­chen Bedeu­tung her. Gesucht werden mit dieser Frage Alko­ho­li­ker, also Menschen, die ein bestimm­tes tägli­ches Quan­tum an Alko­hol benö­ti­gen. Aber vom Wort­sinn her müsste diese Frage jeder mit »ja« beant­wor­ten, der ein paar Gläser Wein oder Bier und viel­leicht ein paar »Kurze« dazu ohne beson­dere Beein­träch­ti­gung verträgt, also der größte Teil der Bevöl­ke­rung vermut­lich.
Die Höflich­keits­re­geln gebie­ten uns aber, deut­lich zu fragen: »Saufen Sie regel­mä­ßig?« (Wobei auch noch die Inter­pre­ta­tion von »regel­mä­ßig« proble­ma­tisch wird.) Dennoch ist die von den Gesund­heits­äm­tern verwen­dete Formu­lie­rung abso­lut unge­eig­net, den gewoll­ten Sach­ver­halt zu erfas­sen. Einen geschei­ten Mittel­weg stellt viel­leicht die Formu­lie­rung dar: »Nehmen Sie häufig alko­ho­li­sche Getränke zu sich?« (Wobei auch »häufig« wieder so ein rela­ti­ver Begriff ist.) Am unver­fäng­lichs­ten und genau­es­ten wäre folgende Frage:

Trin­ken Sie durch­schnitt­lich täglich mehr als … Gläser (0,25 l) Wein /​Bier, mehr als … Gläser (2 cl) Schnaps?