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Amtssprache

Symptome

Wodurch zeich­net sich Amts­spra­che aus?

Hier finden Sie die typi­schen Kenn­zei­chen von Amts­spra­che, geson­dert nach vier Kate­go­rien. Alle Kate­go­rien enthal­ten Beispiele mit Erläu­te­run­gen und Abhil­fe­vor­schlä­gen, an denen Sie sich für Ihre eige­nen Texte orien­tie­ren können.

„Dieses Kauder­welsch ist eine Abschot­tung vor der Normal­spra­che
des Volkes.“

Norbert Blüm

Syntaktischer Aspekt: Satzbau

Amts­spra­che zeich­net sich aus durch

  • lange, verschach­telte Sätze,
  • Passiv-Umschrei­bun­gen,
  • verket­tete Substantive,
  • nomi­nale Umschrei­bung an Stelle von Verben,
  • starre, formel­hafte Bezeichnungen.

Ein Klassiker: der Aufzug

Es ist verbo­ten, Perso­nen in Aufzü­gen zu beför­dern, in denen das Mitfah­ren von Perso­nen verbo­ten ist.

Diese Bestim­mung der Aufzugs­ver­ord­nung war noch bis ins letzte Drit­tel des 20. Jahr­hun­derts in Kraft; es war an ande­rer Stelle sogar vorge­schrie­ben, dass diese Bestim­mung in jedem Lasten­auf­zug zu veröf­fent­li­chen war, wodurch sie unver­diente Popu­la­ri­tät gewann.

Die Klein­ka­riert­heit mancher Denk­weise macht erheb­li­che Unter­schiede zwischen akti­ver und passi­ver Benut­zung eines Aufzugs, weshalb das Verbot des akti­ven Mitfah­rens der Wieder­ho­lung für das passive Beför­dert­wer­den bedurfte. Dass »Mitfah­ren« impli­zit auch das Beför­dert­wer­den einschließt, war dem Verfas­ser und Gene­ra­tio­nen auf ihn folgen­der Verwal­tungs­ju­ris­ten einfach nicht aufgefallen. 

Ande­rer­seits hat sich nie ein Jurist an dem Text der Verbots­ta­feln »Rauchen und offe­nes Licht verbo­ten« gestört, obwohl bei ähnlich akri­bi­scher Betrach­tung unter mathe­lo­gi­schen Gesichts­punk­ten damit nur das gleich­zei­tige Rauchen und Verwen­den offe­nen Feuers unter­sagt ist, beides einzeln jedoch nicht.


Noch verwe­ge­ner liest sich dieser Urheberrechtshinweis:

Sie sind nicht berech­tigt, unrecht­mä­ßige Kopien dieses Daten­trä­gers zu erstel­len.
(Aufdruck auf einer Installations-CD)

Erkennt­nisse aus diesem Aufdruck: Ich bin nicht berech­tigt, unrecht­mä­ßige Kopien zu erstel­len. Bin ich aber viel­leicht berech­tigt, recht­mä­ßige Kopien zu erstellen. 

Es liegt der Schluss nahe, dass es jemand geben muss, der zum Herstel­len unrecht­mä­ßi­ger Kopien befugt ist, denn wenn dazu niemand befugt wäre, müsste man mich, den Leser des Aufdrucks, nicht ausdrück­lich darauf hinwei­sen, dass gerade ich nicht befugt bin. Mit Verlaub: Dieser ganze Aufdruck ist Quatsch und dem Hirn eines über­vor­sich­ti­gen, aber zu norma­len Denk­vor­gän­gen nicht mehr fähi­gen Mitar­bei­ters im Justi­tia­riat eines Soft­ware-Herstel­lers entsprun­gen. Diese Bran­che ist für ihre aben­teu­er­li­chen, ja haar­sträu­ben­den Urhe­ber­rechts­ak­ti­vi­tä­ten ohne­hin bekannt; dieser Satz ist eines von vielen Sahne­häub­chen darauf. Aber er zeigt aufs Neue, zu welchen abwe­gi­gen Gedan­ken­gän­gen Juris­ten fähig sind, wenn man ihrer gestal­te­ri­schen Phan­ta­sie keinen Riegel vorschiebt.

Sinn­voll wäre ein Posi­tiv-Hinweis, wie viele Kopien der Erwer­ber eines solchen Instal­la­ti­ons­me­di­ums zu welchem Zweck erstel­len darf.

Ein ganz großes Kommu­ni­ka­ti­ons­hemm­nis sind die häufi­gen Passiv-Konstruk­tio­nen in amtli­chen und juris­ti­schen Texten. So als getraute man sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen, werden konkrete Aussa­gen durch Passiva ersetzt. Die in grün darge­stell­ten Verbes­se­rungs­vor­schläge spre­chen den Empfän­ger direkt an, während die Origi­nal­fas­sung (rot) unver­bind­lich wirkt.

Folgen­der Bescheid wird erteilt.

Abzu­ge­bende Vorgänge sind stets über den Abtei­lungs­lei­ter zu leiten.

Ich erteile hierzu folgen­den Bescheid.

Leiten Sie alle abzu­ge­ben­den Vorgänge über die Abteilungsleitung.

Verstär­ken lässt sich die Passi­vum­schrei­bung noch, indem mit dem Subjekt »Es« jegli­cher Perso­nen­be­zug aufge­ho­ben wird.

Es ist eine sepa­rate Schmutz­was­ser­ent­sor­gung einzurichten.

Es ist für eine ausrei­chende Absper­rung Sorge zu tragen.

Rich­ten Sie eine sepa­rate Schmutz­was­ser­ent­sor­gung ein.

Sorgen Sie für eine ausrei­chende Absperrung.

Wer ist hier wohl gemeint? Fühlt sich der Empfän­ger eines so formu­lier­ten
Schrei­bens ange­spro­chen, etwas zu unternehmen?

Mit direk­ter Anspra­che kommen über­haupt keine Zwei­fel auf.

… wird gemäß §§ 2, 3, 5, 7, 7a und 34 des Geset­zes zur Ordnung des Wasser­haus­halts (Wasser­haus­halts­ge­setz – WHG) in der Fassung vom 12. Novem­ber 1996 (BGBl.I S. 1695), zuletzt geän­dert durch Arti­kel 2 des Geset­zes vom 25. August 1998 (BGBl.I S. 2455), in Verbin­dung mit §§ 14 und 16 des Berli­ner Wasser­ge­set­zes (BWG) in der Fassung vom 3. März 1989 (GVBL. S. 605), zuletzt geän­dert durch Gesetz vom 26. Okto­ber 1995 (GVBl. S. 695), die wasser­be­hörd­li­che Erlaub­nis erteilt.

Solche verschraub­ten Formu­lie­run­gen resul­tie­ren aus der Tatsa­che, dass man in den zustän­di­gen Verwal­tun­gen zu bequem ist, bei der Ände­rung einer Vorschrift diese im voll­stän­di­gen neuen Wort­laut zu veröf­fent­li­chen, sondern statt dessen Juris­ten-Patch­work kreiert: »In § 31 Abs. 2 Satz 2 entfällt der zweite Halb­satz.« Für das Verfah­ren bis zum Erlass der Vorschrift mag das ja noch ange­hen, da blei­ben diese Leute ja im Wesent­li­chen unter sich. Aber spätes­tens bei Verab­schie­dung einer Vorschrift gebie­tet es die Bürger­nähe, einen neuen Voll­text zu veröffentlichen.

Der Wetter­be­richt ist ja auch jedes Mal wieder voll­stän­dig, es wird nie gesagt:

»Das Wetter wird morgen wie gestern, nur in der Prie­gnitz zwei Grad weni­ger, dafür erhöht sich in der Lausitz die Nieder­schlags­wahr­schein­lich­keit um 12%.«

Es bestand schon immer ein drin­gen­der Bedarf an Voll­text-Neu­­fas­­sun­­gen, wie die florie­ren­den Umsätze der einschlä­gi­gen Verlage zeig­ten. Glück­li­cher­weise gibt es inzwi­schen das Inter­net, in dem Vorschrif­ten in jeweils aktu­el­ler Form bereit­ge­stellt werden. Statt aber auf diese zu verwei­sen (oder auszugs­weise beizu­fü­gen), wird dem Empfän­ger solch ein Geschwur­bel vorgesetzt.

Die Krönung dieser Vorge­hens­weise ist die Art, wie solche – teils mehr­fach – geän­der­ten Vorschrif­ten in Beschei­den zitiert werden. Man bezieht sich auf die Urfas­sung, schreibt aber gleich noch dazu, dass man wiederum doch nicht die Urfas­sung meint, sondern die geän­derte Fassung. Dieser sprach­li­che Wider­spruch wird seit Jahr­hun­der­ten von allen Behör­den und Juris­ten prak­ti­ziert, ohne dass irgend­je­mand das falsch findet – schon erstaun­lich. Unbe­rück­sich­tigt bleibt auch, ob die zitierte Ände­rung sich auf diesen Bescheid auswirkt oder nicht. Und ein weite­rer wich­ti­ger Sach­ver­halt wird über­haupt nicht erwähnt: Gab es zwischen dem Erlass der Ur-Vorschrift und der ange­ge­be­nen »letz­ten« Ände­rung weitere Ände­run­gen? Wenn ja, warum gibt man die nicht auch an? Viel­leicht waren in denen ja eher fall­re­le­vante Ände­run­gen enthal­ten als in der zitier­ten letz­ten Änderung.

Egal wie detail­liert die Rechts­his­to­rie darge­stellt wird, bürger­nah ist das in keinem Fall. Dem Empfän­ger eines Beschei­des ist keines­falls zuzu­mu­ten, sich durch diesen Verweise-Verhau durch­zu­kämp­fen, erst recht nicht im Fließ­text (der damit das Attri­but flie­ßend keines­falls mehr verdient). Wesent­lich einfa­cher und sinn­vol­ler für alle Seiten ist es, dem Bescheid die bezo­ge­nen Rechts­quel­len im Voll­text beizu­fü­gen, was im Zeit­al­ter der Text­bau­steine gar keinen Aufwand mehr bedeu­tet. Im Bescheid­text tritt dann nur noch eine Formu­lie­rung auf wie:

… erteile ich gemäß §§ 2, 3, 5, 7, 7a und 34 des Geset­zes zur Ordnung des Wasser­haus­halts (Wasser­haus­halts­ge­setz – WHG) in Verbin­dung mit §§ 14 und 16 des Berli­ner Wasser­ge­set­zes (BWG) die wasser­be­hörd­li­che Erlaub­nis. (Den Wort­laut der zitier­ten Recht­vor­schrif­ten habe ich diesem Bescheid beigefügt.)

Manche Zeit­ge­nos­sen machen sich ja noch einen Spaß daraus, harm­lose Bürger zu irri­tie­ren. Den Vogel abge­schos­sen hat meiner Meinung nach ein Komi­ker am Volks­thea­ter Karl-Nüschel-Stadt (oder war es etwa doch ein Rich­ter am Landes­ar­beits­ge­richt Chem­nitz am 06.04.1993 zum Az: 1 Sa 10/​93?) mit dieser Urteils­be­grün­dung von 368 Wörtern in einem Satz!

In Anbe­tracht dessen, daß die am 25.10.1939 gebo­rene, geschie­dene Kläge­rin seit Okto­ber 1966 bei der Beklag­ten als Hort­ne­rin tätig war, ihr am 31.03.1992 zum 30.09.1992 mit Wirkung ab 01.10.1992 eine Ände­rungs­kün­di­gung mit dem Ange­bot einer Weiter­be­schäf­ti­gung mit 30 Wochen­stun­den ausge­spro­chen wurde, sie dies nur unter Vorbe­halt annahm, und am 14.04.1992 hier­ge­gen Klage erhob, weil der Perso­nal­rat nicht ordnungs­ge­mäß gehört sei sowie die Sozi­al­aus­wahl falsch sei, sie demge­mäß bean­tragt hat, die Ände­rungs­kün­di­gung für unge­recht­fer­tigt zu erklä­ren und Abwei­sung der Klage von der Beklag­ten bean­tragt worden ist, weil die Zahl der zu betreu­en­den Kinder von 35 auf 20 gesun­ken sei und entwe­der eine Hort­ne­rin hätte entlas­sen werden oder beide auf 30 Stun­den hätten herab­ge­setzt werden müssen und das im Einver­ständ­nis des Perso­nal­rats gesche­hen sei, die Beklagte am 12.01.1993 Beru­fung gegen das am 23.12.1992 zuge­stellte, der Klage wegen unzu­rei­chen­den Vortrags zur Anhö­rung des Perso­nal­rats statt­ge­bende Urteil des Arbeits­ge­richts einge­legt und am 11.02.1993 – nach Verlän­ge­rung der Frist bis zum 12.03.1993 – begrün­det hat unter Wieder­ho­lung ihres Vorbrin­gens nunmehr bean­tragt, unter Abän­de­rung des ange­foch­te­nen Urteils, die Klage abzu­wei­sen und Zurück­wei­sung der Beru­fung von der Kläge­rin bean­tragt wird, weil die Sozi­al­aus­wahl falsch sei, da sie ältere Rechte als die erst seit 13 Jahren beschäf­tigte 32 Jahre alte Kolle­gin habe, war nach Beweis­erhe­bung durch Verneh­mung der Perso­nal­rä­tin Zeugin B zu entschei­den, daß die Klage unbe­grün­det ist, nach­dem auf Grund der Beweis­auf­nahme fest­steht, daß die Perso­nal­rats­an­hö­rung recht­zei­tig, voll­stän­dig und deshalb ordnungs­ge­mäß war, der starke Rück­gang der Kinder­zahl eine Herab­set­zung der Betreu­ungs­kräfte auch aus Kosten­grün­den erfor­der­lich machte und nach der Bedarfs­kün­di­gungs­re­ge­lung des Eini­gungs­ver­tra­ges Anlage I Kapi­tel XIX Sach­ge­biet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Nr. 2 bis zum 31.12.1993 eine Herab­set­zung der Arbeits­kräfte im öffent­li­chen Dienst erleich­tert möglich ist, diese Rege­lung auch für die Ände­rungs­kün­di­gung gilt und § 1 KSchG ersetzt sowie eine gleich­mä­ßige Herab­set­zung der Arbeits­zeit für beide Hort­ne­rin­nen einer vernünf­ti­gen Auswahl und Rege­lung entspricht, zumal die Kläge­rin zwar älter und länger beschäf­tigt, die Kolle­gin aber verhei­ra­tet ist und zwei Kinder hat, so daß unter Aufhe­bung des ange­foch­te­nen Urteils die Klage mit der Kosten­folge des 91 ZPO abzu­wei­sen und die Revi­sion nicht zuzu­las­sen war, da es sich um einen beson­ders gela­ger­ten Einzel­fall handelt, und folg­lich nur auf die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde des § 72 a ArbGG hinzu­wei­sen ist.

Auch der Gesetz­ge­ber hält sich mit Satz­län­gen nicht zurück, wobei zugute zu halten sein muss, dass diese Fassung des § 2 Abs. 3 EStG aus dem Jahr 2002 wohl doch auf dem Mist der Minis­te­ri­al­bü­ro­kra­tie gewach­sen sein dürfte, aber auch dort sind ja Juris­ten zugange.

Die Summe der Einkünfte, vermin­dert um den Alters­ent­las­tungs­be­trag und den Abzug nach § 13 Abs. 3, ist der Gesamt­be­trag der Einkünfte. Bei der Ermitt­lung der Summe der Einkünfte sind zunächst jeweils die Summen der Einkünfte aus jeder Einkunfts­art, dann die Summe der posi­ti­ven Einkünfte zu ermit­teln. Die Summe der posi­ti­ven Einkünfte ist, soweit sie den Betrag von 51.500 Euro über­steigt, durch nega­tive Summen der Einkünfte aus ande­ren Einkunfts­ar­ten nur bis zur Hälfte zu mindern. Die Minde­rung ist in dem Verhält­nis vorzu­neh­men, in dem die posi­ti­ven Summen der Einkünfte aus verschie­de­nen Einkunfts­ar­ten zur Summe der posi­ti­ven Einkünfte stehen. Über­steigt die Summe der nega­ti­ven Einkünfte den nach Satz 3 ausgleichs­fä­hi­gen Betrag, sind die nega­ti­ven Summen der Einkünfte aus verschie­de­nen Einkunfts­ar­ten in dem Verhält­nis zu berück­sich­ti­gen, in dem sie zur Summe der nega­ti­ven Einkünfte stehen. Bei Ehegat­ten, die nach den §§ 26, 26b zusam­men veran­lagt werden, sind nicht nach den Sätzen 2 bis 5 ausge­gli­chene nega­tive Einkünfte des einen Ehegat­ten dem ande­ren Ehegat­ten zuzu­rech­nen, soweit sie bei diesem nach den Sätzen 2 bis 5 ausge­gli­chen werden können; können nega­tive Einkünfte des einen Ehegat­ten bei dem ande­ren Ehegat­ten zu weni­ger als 51.500 Euro ausge­gli­chen werden, sind die posi­ti­ven Einkünfte des einen Ehegat­ten über die Sätze 2 bis 5 hinaus um den Unter­schieds­be­trag bis zu einem Höchst­be­trag von 51.500 Euro durch die noch nicht ausge­gli­che­nen nega­ti­ven Einkünfte dieses Ehegat­ten zu mindern, soweit der Betrag der Minde­run­gen bei beiden Ehegat­ten nach den Sätzen 3 bis 6 den Betrag von 103.000 Euro zuzüg­lich der Hälfte des den Betrag von 103.000 Euro über­stei­gen­den Teils der zusam­men­ge­faß­ten Summe der posi­ti­ven Einkünfte beider Ehegat­ten nicht über­steigt. Können nega­tive Einkünfte des einen Ehegat­ten bei ihm nach Satz 3 zu weni­ger als 51.500 Euro ausge­gli­chen werden, sind die posi­ti­ven Einkünfte des ande­ren Ehegat­ten über die Sätze 2 bis 6 hinaus um den Unter­schieds­be­trag bis zu einem Höchst­be­trag von 51.500 Euro durch die noch nicht ausge­gli­che­nen nega­ti­ven Einkünfte des einen Ehegat­ten zu mindern, soweit der Betrag der Minde­run­gen bei beiden Ehegat­ten nach den Sätzen 3 bis 7 den Betrag von 103.000 Euro zuzüg­lich der Hälfte des den Betrag von 103.000 Euro über­stei­gen­den Teils der zusam­men­ge­faß­ten Summe der posi­ti­ven Einkünfte beider Ehegat­ten nicht über­steigt. Die Sätze 4 und 5 gelten entsprechend.

Wie erwähnt, handelt es sich um nur einen Absatz eines Para­gra­phen. Der in diesem Zitat kursiv gesetzte Satz ist 134 Wörter lang und wird auch durch das einge­streute Semi­ko­lon nicht lesba­rer. Über­haupt erschließt sich diese Vorschrift selbst dem versier­te­ren Leser kaum.

Der folgende Diskus­si­ons­bei­trag sagt eigent­lich alles:

»Warum wird die Steu­er­ge­setz­ge­bung immer in so umständ­li­ches Amts­deutsch gefasst, anstatt gleich in die mathe­ma­ti­schen Formeln, die dann später tatsäch­lich zur Anwen­dung kommen? Das Amts­deutsch verste­hen nur Fach­leute, die mathe­ma­ti­schen Formeln auch. Aller­dings dürf­ten dieje­ni­gen, die die mathe­ma­ti­schen Formeln besser inter­pre­tie­ren können als die Geset­zes­texte, in der Mehr­heit sein. Mathe­ma­tik lernt man in der Schule; Amts­deutsch aller­dings nicht.«


Eine der stärks­ten Auffäl­lig­kei­ten in Schrift­stü­cken von Behör­den sind (zu) lange Sätze. Es wird versucht, möglichst viel in einen Satz hinein zu legen, statt ihn in mehrere Sätze aufzu­tei­len. Es gibt auch Fälle, in denen eine Auftei­lung nicht möglich ist, weil mehrere Kausa­li­tä­ten inner­halb eines Satzes zu einer Folge­rung führen. Dann muss aber darauf geach­tet werden, eine verständ­li­che, logi­sche Struk­tur aus Neben­sät­zen zu konstru­ie­ren. Dabei kann selbst­ver­ständ­lich der Text insge­samt länger werden, doch für das Verste­hen sind die Satz­länge und die Komple­xi­tät der verschach­tel­ten Neben­sätze bedeutend.

Satz­län­gen und Verständlichkeit

Mit zuneh­men­der Länge werden die Sätze immer unver­ständ­li­cher. Die Geset­zes- und Amts­spra­che aller­dings verwen­det gern über­lange Sätze. Zwar hat sich seit der ersten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts die durch­schnitt­li­che Satz­länge deut­scher Gesetze von fast 90 Wörtern pro Satz auf ca. 30 verrin­gert, doch steigt dieser Wert in den letz­ten Jahr­zehn­ten wieder an.

Ein Vergleich mit deut­schen Texten ande­rer Herkunft zeigt, dass Gesetze mit Abstand die längs­ten Sätze haben. Aktu­elle Erzähl­prosa kommt auf durch­schnitt­lich 22 Wörter pro Satz, wissen­schaft­li­che Texte liegen knapp darun­ter. Eine Stich­probe aus unter­schied­li­chen Zeitun­gen zeigte dort eine durch­schnitt­li­che Satz­länge von 16,6 Wörtern, selbst „anspruchs­volle“ Zeitun­gen kommen nicht über 20 Wörter.

In langen Sätzen kommt noch als weite­res Lese­er­schwer­nis hinzu, dass zusam­men­ge­setzte Verben oder Substan­tiv und zuge­hö­ri­ges Verb durch Zusatz­in­for­ma­tio­nen und Bedin­gun­gen ausein­an­der geris­sen werden. Diese in der deut­schen Spra­che an sich übli­chen und unschäd­li­chen Metho­den gera­ten zum Fiasko, wenn zwischen beiden Teilen mehrere Text­zei­len stehen und dem Leser beim Errei­chen der zwei­ten Hälfte der Wort­folge der Satz­an­fang gar nicht mehr präsent ist. (Mark Twain hat das in seinem Essay über die schreck­li­che deut­sche Spra­che mit »… und dann, endlich, folgt das Verb!« sehr schön persi­fliert.) Ein deut­li­ches Beispiel bietet Arti­kel 95 Abs. 5 des Vertrags von Amsterdam:

»Unbe­scha­det des Absat­zes 4 teilt ein Mitglied­staat, der es nach dem Erlaß einer Harmo­ni­sie­rungs­maß­nahme durch den Rat oder die Kommis­sion für erfor­der­lich hält, auf neue wissen­schaft­li­che Erkennt­nisse gestützte einzel­staat­li­che Bestim­mun­gen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeits­um­welt aufgrund eines spezi­fi­schen Problems für diesen Mitglied­staat, einzu­füh­ren, die in Aussicht genom­me­nen Bestim­mun­gen sowie die Gründe für ihre Einfüh­rung der Kommis­sion mit.«

Dieser Satz umfasst 59 Wörter; zwischen den Bestand­tei­len des ausein­an­der geris­se­nen Verbs »mittei­len« am Beginn und am Ende des Satzes stehen 53 Wörter. Auch der Abstand zwischen dem Objekt »Bestim­mun­gen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeits­um­welt« und dem zuge­hö­ri­gen Verb »einzu­füh­ren« ist durch die einge­scho­bene Begrün­dung zu lang.

Die Bestim­mung ließe sich auch so formulieren:

»Hält es ein Mitglieds­staat nach dem Erlass einer Harmo­ni­sie­rungs­maß­nahme durch den Rat oder die Kommis­sion für erfor­der­lich, einzel­staat­li­che Bestim­mun­gen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeits­um­welt einzu­füh­ren, die auf neue wissen­schaft­li­che Erkennt­nisse gestützt sind und ein spezi­fi­sches Problem dieses Staa­tes lösen, so teilt er die in Aussicht genom­me­nen Bestim­mun­gen sowie die Gründe für ihre Einfüh­rung der Kommis­sion mit. Absatz 4 bleibt hier­von unberührt.«

Der erste Satz hat zwar immer noch 49 Wörter, weil sich die Bedin­gun­gen nicht auf mehrere Sätze vertei­len ließen, doch die Halb­sätze sind nicht mehr verschach­telt und der logi­sche Aufbau erschließt den Inhalt besser. Zwar ist die vorher geschlos­sen stehende Formel „für erfor­der­lich hält“ im Verbes­se­rungs­vor­schlag getrennt, dennoch ist der Satz verständ­li­cher, weil vor dem Aufbre­chen einer weite­ren Wort­ver­bin­dung die letzte wieder geschlos­sen wird; außer­dem sind die Bestand­teile der ande­ren beiden Formeln näher zusam­men gerückt.

Das folgende Beispiel zeigt, wie man das Verschach­teln eines Satzes auch auf engs­tem Raum hinbekommt:

Die Erklä­rung ist neben dem Wahl­um­schlag in den an den Wahl­vor­stand adres­sier­ten Frei­um­schlag zu legen.

Die Erklä­rung ist zusam­men mit dem Wahl­um­schlag in den Frei­um­schlag zu legen, der an den Wahl­vor­stand adres­siert ist.

Durch den Neben­satz wird dieser eigen­wil­lige Satz zwar etwas länger, er kommt aber der Verständ­lich­keit sehr zu Gute.

Der »Hitze­frei-Erlass« der Berli­ner Senats­ver­wal­tung für Inne­res ist ein Klas­si­ker der Verschach­te­lungs­tech­nik. Der musste einfach hier mit hinein, natür­lich mit Analyse.

Angeb­lich aus der Bahn­post­ord­nung stam­mend, erhei­tert diese Fake-Vorschrift schon seit Jahr­zehn­ten alle, die sich mit Amts­spra­che beschäftigen.

In Dienst­an­fän­ger­krei­sen kommen immer wieder Verwech­se­lun­gen der Begriffe Wert­sack, Wert­beu­tel, Versack­beu­tel und Wert­pa­ket­sack vor. Um diesem Übel abzu­hel­fen, ist das folgende Merk­blatt dem § 49 der ADA vorzuheften:

Der Wert­sack ist ein Beutel, der aufgrund seiner beson­de­ren Verwen­dung im Post­be­för­de­rungs­dienst nicht Wert­beu­tel, sondern Wert­sack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehre­ren Wert­beu­teln besteht, die in den Wert­sack nicht verbeu­telt, sondern versackt werden. Das ändert aber nichts an der Tatsa­che, daß die zur Bezeich­nung des Wert­sacks verwen­dete Wert­beu­tel­fahne auch bei einem Wert­sack als Wert­beu­tel­fahne bezeich­net wird und nicht Wert­sack­fahne, Wert­sack­beu­tel­fahne oder Wert­beu­tel­sack­fahne.
Sollte es sich bei der Inhalts­fest­stel­lung eines Wert­sa­ckes heraus­stel­len, daß ein in einem Wert­sack versack­ter Versack­beu­tel statt im Wert­sack in einem der im Wert­sack versack­ten Wert­beu­tel hätte versackt werden müssen, so ist die zustän­dige Versack­stelle unver­züg­lich zu benach­rich­ti­gen.
Nach seiner Entlee­rung wird der Wert­sack wieder zu einem Beutel und ist bei der Beutel­zäh­lung nicht als Sack, sondern als Beutel zu zählen.
Verwech­se­lun­gen zwischen Wert­sack und Wert­pa­ket­sack sind völlig ausge­schlos­sen, weil ein mit »Wert­sack« beschrif­te­ter Beutel kein Wert­sack, sondern ein Wert­pa­ket­sack ist, während ein Wert­sack keine abwei­chende Beutel­be­schrif­tung trägt. Deshalb ist es auch strikt unter­sagt, einen mit »Wert­sack« beschrif­te­ten Wert­pa­ket­sack als Wert­sack zu benutzen.

Semantischer Aspekt: Wortwahl

Amts­spra­che zeich­net sich aus durch

  • unge­wohnte Verwen­dung oder Kombi­na­tion allge­mein bekann­ter Wörter,
  • Wort(neu)schöpfungen aus alltags­sprach­li­chen Wortstämmen,
  • verket­tete Substantive,
  • Orien­tie­rung am „juris­ti­schen Code“.

Wie jede Fach­spra­che verwen­det die Verwal­tungs­spra­che ihre »grup­pen­spe­zi­fi­schen Wort­ver­bin­dungs­re­geln«. Da der ange­spro­chene Bürger aber meist nicht Mitglied der sozia­len Gruppe ist, die diesen Sozio­lekt versteht und nutzt, kennt der Leser von Verwal­tungs- und Gerichts­schrei­ben zwar häufig alle Wörter und meint ihre Bedeu­tung zu verste­hen, ist aber dennoch nicht in der Lage, den Sinn des Ganzen zu erfassen.

Das Verständ­nis der Verwal­tungs­spra­che wird vor allem dadurch erschwert, dass die Wörter der Alltags­spra­che im büro­kra­ti­schen Code eine beson­dere, für den darin unge­üb­ten Leser gele­gent­lich über­ra­schende Bedeu­tung erhal­ten; in eini­gen Fällen sind die Fach­ter­mini sogar in ihrer konkre­ten Wort­ge­stalt unge­wohnt, also Wort­neu­schöp­fun­gen aus alltags­sprach­lich bekann­ten Wort­stäm­men, ohne aller­dings die gemei­nen Bedeu­tun­gen zu transportieren.

Die wich­tigste Quelle für die Bedeu­tungs­ver­lei­hung im Rahmen der Verwal­tungs­spra­che ist zwei­fel­los die juris­ti­sche Spra­che, d.h. die Spra­che der Geset­zes­texte und ihrer Ausle­gung. Alles Verwal­tungs­han­deln voll­zieht sich im Rahmen der Rechts­ordnung und dient ihrer Erhal­tung. Dieser grund­le­gende Bezug der Verwal­tung auf das Recht drückt sich auch in der Spra­che aus. Vom juris­ti­schen Code ist wiederum bekannt, dass er dem nicht einschlä­gig vorge­bil­de­ten Bürger nur schwer zugäng­lich ist. Für die Verwal­tung bedeu­tet dieses: Wenn sich ein Beam­ter oder Verwal­tungs­an­ge­stell­ter als bloßer Rechts­an­wen­der sieht, neigt er zu einer star­ren, wenig empfän­ger­ori­en­tier­ten Amtssprache.

Eigent­li­che Aufgabe des Amts­in­ha­bers ist die Vermitt­lung zwischen dem gesetz­ten Recht und den davon betrof­fe­nen Bürgern.

Gerichte müssen Recht spre­chen. Sie soll­ten dies in einer Spra­che tun, die der Rechts­su­chende auch versteht.

Ein »Klas­si­ker« der unver­ständ­li­chen und umständ­li­chen Spra­che ist dieses Beispiel, das sich mit verständ­li­chen und genauen Anwei­sun­gen beschäf­tigt, aber selbst eben diesem Anspruch total zuwiderhandelt.

… schickt es einen Gebüh­ren­be­scheid. Das ist die amtli­che Form, etwas in Rech­nung zu stel­len. Wer nicht so häufig mit kosten­pflich­ti­gen Amts­hand­lun­gen in Berüh­rung kommt, erkennt dieses Synonym Rechnung/​Gebührenbescheid aber viel­leicht nicht. Geschäfts­leute sind es gewohnt, auf expli­zit als »Rech­nung« dekla­rierte Zahlungs­auf­for­de­run­gen zu reagie­ren, und verste­hen es gar nicht, wenn sie auf Grund eines nicht begli­che­nen Gebüh­ren­be­scheids gemahnt werden, obwohl gar keine Rech­nung voraus­ge­gan­gen war.

Abhilfe: Keine Vorschrift verbie­tet Ihnen, die Über­schrift eines Gebüh­ren­be­scheids um den Klam­mer­ver­merk »(Rech­nung)« zu ergän­zen – also tun Sie es doch einfach!

Jursi­ti­sche und amtli­che Texte wimmeln vor Abkür­zun­gen. Das erleich­tert gewiss das Schrei­ben, das Lesen wird aber erschwert!

(Ein Test: Wissen Sie um die Bedeu­tung von 2L8, GiDF, IMHO, YMMD, FUP2? Den Unter­schied zwischen AFAIK und AFAIR? Das alles ist Netz­jar­gon; Sie sind hier im Netz, frei­wil­lig. Der Bürger aber wird von Ihren Schrei­ben unge­wollt heimgesucht!)

Deshalb sollte auf Abkür­zun­gen immer dann verzich­tet werden, wenn sie nicht allge­mei­ner Sprach­ge­brauch sind, wie jene hier:

Im Amts­deutsch (Oder sollte man besser »Kanz­lei­deutsch« sagen? Das Phäno­men des Substan­ti­vie­rens von Verben stammt schließ­lich aus der Juris­ten­spra­che.) treten immer mehr falsche Substan­tive auf. Falsch deshalb, weil es sich von der Aussage her um Verben handelt, die aber – meist durch Anhän­gen der Endung ‑ung – in Substan­tive umge­formt werden. Verschlim­mert wird das dann noch, indem mehrere Substan­tive als Geni­tiv­kette anein­an­der­ge­hängt werden, anstatt die zugrunde liegen­den Verben zu verwenden.

1Maßnah­men zur 2Gewähr­leistung der 3Anwen­dung des 4Grund­sat­zes der 5Chan­cen­gleich­heit
besser:
Maßnah­men, die gewähr­leis­ten, dass der Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit ange­wen­det wird
noch besser, weil auch »Maßnah­men« meist nur als Füll­wort auftritt:
gewähr­leis­ten, dass der Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit ange­wen­det wird
und noch besser:
gewähr­leis­ten, dass die Chan­cen­gleich­heit gewahrt wird
80 % der Substan­tive waren entbehrlich!

»-ung-Wörter« zeigen in sich bereits, dass sie keine gewach­se­nen Wörter, sondern Konstrukte sind.

Ein guter Indi­ka­tor für Substan­ti­vis­mus ist auch das Wort »erfolgt«. In seiner Nähe ist fast immer ein falsches Substan­tiv zu finden. Schrei­ben Sie also z. B. »geneh­mi­gen« statt »erfolgt Geneh­mi­gung« oder »zustim­men« statt »erfolgt Zustim­mung«, schon ist dieses Problem gelöst.

Aller­dings verbrei­ten sich ‑ung-Wörter rasant, wie die Statis­tik beweist: Im 19. Jhdt. war jedes zehnte Substan­tiv im deut­schen Wort­schatz ein ‑ung-Abstrak­tum, in der ersten Hälfte des 20. Jhdt. war es bereits jedes fünfte, mitt­ler­weile ist es jedes vierte, Tendenz stei­gend! Über­haupt hat sich die Zahl der Substan­tive hat in den letz­ten 200 Jahren von rd. 21% auf rd. 30% erhöht.

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Zu diesem Symptom ein konkre­tes Beispiel aus einem Bescheid:

»Das Einschrei­ten ist nur dann begrün­det, wenn gegen Normen, die auch dem Indi­vi­du­al­schutz zu dienen bestimmt sind, in einer Art und Weise versto­ßen wird, dass der Behörde nach pflicht­ge­mä­ßer Ermes­sens­ab­wä­gung keine andere Entschei­dung mehr verbleibt, als die zum Eingreifen.« Unper­sön­li­che Umschrei­bun­gen, entbehr­li­che Flos­keln und Verschach­te­lun­gen wirken hier perfekt zusam­men. Die Aussage dieses Satzes ließe sich extrem verkür­zen zu: »Ich kann nur einschrei­ten, wenn gar nichts ande­res mehr geht.« Da das aber viel­leicht zu umgangs­sprach­lich klingt, wäre viel­leicht folgen­der Mittel­weg denkbar: Schritt 1: auf unnö­tige Flos­keln und Wieder­ho­lun­gen verzich­ten (durch Strei­chung im Origi­nal­zi­tat verdeutlicht): »Das Einschrei­ten ist nur dann begrün­det, wenn gegen Normen, die auch dem Indi­vi­du­al­schutz zu dienen bestimmt sind, in einer Art und Weise so versto­ßen wird, dass der Behörde nach pflicht­ge­mä­ßer Ermes­sensabwä­gung keine andere Entschei­dung mehr verbleibt, als die zum Eingrei­fen Schritt 2: Substan­tive redu­zie­ren und Bezüge personifizieren: »Ich kann nur dann einschrei­ten, wenn Ihr Nach­bar gegen schüt­zende Normen verstößt und nach pflicht­ge­mä­ßem Ermes­sen keine andere Möglich­keit besteht, diesem Verstoß zu begegnen.«

Beliebte Wörter in Beschei­den sind »sofern« und »soweit«. 

Mit ihnen verla­gert der Verfas­ser Entschei­dun­gen auf den Empfän­ger – soll der doch sehen, wie er damit klar kommt.

Anfal­len­des Nieder­schlags­was­ser muss über eine Vege­ta­ti­ons­flä­che versi­ckern, sofern es nicht der öffent­li­chen Kana­li­sa­tion zuge­führt werden muss.

aus einem Bauaufsichtsbescheid

Anstatt bei der Bear­bei­tung des Einzel­falls selbst zu prüfen, ob ein Anschluss­zwang an die öffent­li­che Kana­li­sa­tion vorliegt, macht es sich der Behör­den­mit­ar­bei­ter leicht und setzt eine bedingte Auflage in den Bescheid. Der Bürger muss sich nun erst schlau machen, ob die Bedin­gung auf ihn zutrifft, obwohl diese Prüfung dem Bear­bei­ter leich­ter gefal­len wäre.

»Öffent­li­cher Dienst« ist eine durch Steu­ern finan­zierte Service­leis­tung!
Das verges­sen vor allem Mitar­bei­ter in Ordnungs­be­hör­den gern.

Ein beson­ders auffäl­li­ges Merk­mal ist das Erschaf­fen »eindrucks­vol­ler« Wörter, um ihnen mehr Gewicht zu verlei­hen. Es wird nicht einfach nur gemahnt, es wird angemahnt oder abgemahnt; die Vorsil­ben sind völlig inhalts­leer, das damit verzierte Wort bekommt jedoch einen wich­ti­ge­ren Beiklang. Gerade im Fall der Abmah­nung geht es sogar so weit, dass dieses Wort zu einem beson­de­ren Fach­ter­mi­nus des juris­ti­schen Codes avan­ciert ist, der (juris­tisch) etwas ande­res bedeu­tet als sein Wort­stamm Mahnung. In den meis­ten Fällen der ab- und an-Verwen­dung ist die Vorsilbe jedoch ohne Bedeu­tungs­än­de­rung problem­los entbehr­lich, z.B. abän­dern, anmie­ten. Glei­ches gilt auch in vielen Fällen für be- und ver-.

Eine andere Form der Bestär­kung eines Wortes wird gern benutzt, indem einem Wort ein weite­res, bedeu­tungs­glei­ches beigefügt wird. Fach­leute spre­chen in diesen Fällen von einem Pleo­nas­mus oder von einer Tauto­lo­gie. Der Unter­schied zwischen beiden Formen besteht darin, dass beim Pleo­nas­mus (vom grie­chi­schen »über­flüs­sig«) einem Substan­tiv ein Attri­but beigefügt wird, das dem Substan­tiv jedoch keine neue Eigen­schaft verleiht, denn das Substan­tiv steht bereits für eine bestimmte Eigen­schaft, z.B. »weißer Schim­mel«. Das Attri­but »weiß« ist ent­behrlich, denn ein Schim­mel ist nun mal weiß, es bedarf dieser Beto­nung nicht. Die Tauto­lo­gie (griechisch/​römisch für »dasselbe«) dage­gen reiht zwei gleich­bedeu­ten­de, gleich­wer­tige Wörter anein­an­der, z. B. »immer und ewig«, »nackt und bloß«.

Oft in der Verwal­tungs­spra­che auftre­tende Tauto­lo­gien und Pleo­nas­men sind:

ausein­an­der divi­die­ren, zusam­men addie­ren, einspa­ren, herab­min­dern, mit einbe­zie­hen, Rück­ant­wort, schluss­fol­gern, alter­na­tive Möglichkeiten.

Häufig werden Tauto­lo­gien aus Unwis­sen­heit benutzt, beson­ders im Zusam­men­hang mit Fremd­wör­tern. Da die tatsäch­li­che Bedeu­tung eines Fremd­wor­tes nur unge­nau bekannt sind, wird ein deut­sches Wort mit ihm verbun­den und so eine unge­wollte Doppe­lung erzielt. Klas­si­sche Beispiele dafür sind aufok­troy­ie­ren, Puls­schlag, Gueril­la­krieg und Pegel­stand. Ein ähnli­ches Phäno­men erle­ben wir, wenn der lang­text­li­che Sinn einer Abkür­zung »verlo­ren gegan­gen« ist, wie bei ABM-Maßnahme, IT-Technik.

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Ein sehr spezi­fi­sches seman­ti­sches Phäno­men der Amts­spra­che ist die unüb­li­che Verwen­dung von Vernei­nun­gen. Hier wird häufig „um die Ecke formu­liert“, also durch doppelte Vernei­nung eine Bestä­ti­gung ausge­spro­chen oder zum Satz­be­ginn eine posi­tive Aussage sugge­riert, die am Schluss verspä­tet negiert wird. In diesen Fällen ist auf jeden Fall Klar­heit gebo­ten, indem die beiden Teil­aus­sa­gen zusam­men­ge­fasst und in einer Formu­lie­rung deut­lich gemacht wird, ob die Aussage posi­tiv oder nega­tiv gemeint ist. Eine dritte Vari­ante ist die unnö­tige Vernei­nung, bei der ein posi­ti­ver Begriff mit „nicht“ kombi­niert wird, obwohl es ein passen­des Nega­tiv-Pendant gibt.

Ein paar Beispiele:

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Hier toppt das BGB alles, in § 118 wird fünf­mal negiert:

Eine 1nicht ernst­lich gemeinte Willens­er­klä­rung, die in der Erwar­tung abge­ge­ben wird, der 2Mangel an Ernst­lich­keit werde 3nicht 4verkannt werden, ist 5nich­tig.

Gemeint ist:

Offen­sicht­li­cher Unfug ist keine Vertragsgrundlage.

Aber das war den Schöp­fern des BGB wahr­schein­lich zu prosaisch.


Auch diese Frage in einem Bürger­ent­scheid des Bezirks­amts Lich­ten­berg ist verwir­rungs­tech­nisch genial formuliert:

»Stim­men Sie für das Ersu­chen an das Bezirks­amt, in Abän­de­rung der bishe­ri­gen Beschluss­lage, das einge­lei­tete Verfah­ren zur Aufstel­lung des Bebau­ungs­plans 11–43 nicht fort­zu­füh­ren, durch welches die Ansied­lung eines Waren­hau­ses an der Lands­ber­ger Allee 360/​362 verhin­dert wird?«

Statt derart um die Ecke zu fragen, wäre:

»Sind Sie dafür, dass an der Lands­ber­ger Allee 360/​362 ein Waren­haus errich­tet werden soll?«

jedem Abstim­mungs­be­rech­tig­ten sofort klar gewe­sen. Aber hier war ja gar keine Klar­heit gewollt, denn das Bezirks­amt hätte das Waren­haus gern dort gehabt. »Der Bürger« trat hier als Stör­fak­tor in Erscheinung.

Die Benut­zung eines falschen Wortes kann sogar ehren­rüh­rig sein:

In der Straf­sa­che gegen … hat das Gericht nunmehr fest­ge­stellt, dass Sie nicht der zutref­fende Ange­klagte sind. Der Fehler ist durch eine Namens­ver­wech­se­lung beim Amtge­richt Leer zum Akten­zei­chen … entstan­den, wo Sie wegen Unter­halts­pflicht­ver­let­zung ange­klagt waren.

aus einem Einstel­lungs­be­scheid des Amts­ge­richts Olden­burg (Oldb)

»nicht der zutref­fende Ange­klagte« impli­ziert, dass der Adres­sat sehr wohl ein Ange­klag­ter sei, nur eben nicht der in diesem Verfah­ren rich­tige. Dabei hatte sich der Empfän­ger des Schrei­bens über­haupt nichts zu Schul­den kommen lassen, sondern war Opfer einer Namens­gleich­heit gewor­den. Er war also im Gerichts­jar­gon ein »fälsch­lich Ange­klag­ter«. Auch der Folge­satz, mit dem das AG Olden­burg eine even­tu­elle Schuld an das AG Leer verweist, enthält diesen falschen Vorwurf, denn auch dort war die Anklage fälsch­lich erho­ben worden. Außer­dem war beim AG Leer bei Abgabe der Akte der Irrtum bereits doku­men­tiert gewesen.

Korrekt wäre:

In der Straf­sa­che gegen … wurde auf Grund Ihrer Darle­gun­gen fest­ge­stellt, dass Sie nicht der Zahlungs­pflich­tige sind. Wir bitten Sie, das Verse­hen zu entschuldigen.

Diese Kritik hat mir Vorwürfe aus Juris­ten­krei­sen einge­bracht: Die Bezeich­nung »Ange­klag­ter« sei über­haupt nicht ehren­rüh­rig, denn als gericht­li­cher Termi­nus wäre sie wert­frei.
Das wird von der Mehr­heit der Bevöl­ke­rung anders gese­hen, wie ich durch die regel­mä­ßige Verwen­dung dieses Beispiels in meinen Kursen immer wieder bestä­tigt bekom­men habe. (Die Teil­neh­mer waren über­wie­gend Verwaltungsmitarbeiter!)

Der juris­ti­sche Stand­punkt in dieser Sache zeigt also genau das, was immer wieder bemän­gelt werden muss: Miss­ver­ständ­nisse beru­hen immer auf fehlen­der Ziel­grup­pen­ori­en­tie­rung des Absen­ders. Nicht das Verständ­nis des Absen­ders ist maßgeb­lich, sondern das des Empfängers.

Weiter­hin erläu­terte mir ein Jurist, es sei für die Doku­men­ta­tion erfor­der­lich, in den Schrift­stü­cken die Partei­en­be­zeich­nun­gen zu verwen­den, weil es beim Lesen schwie­rig ist, die Namen den Parteien zuzu­ord­nen. Zuge­ge­ben, dieses Argu­ment ist stich­hal­tig, doch ledig­lich unter dem Gesichts­punkt der Doku­men­ta­tion. Vorran­gig ist aber, dass die Empfän­ger verste­hen, was gemeint ist; es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, den Redak­teu­ren der NJW die Arbeit abzunehmen!

Es muss nicht unbe­dingt der falsche Gebrauch eines Wortes sein. Es ist auch möglich, inner­halb einer Aussage Para­doxe auszulösen:

Ihr Antrag auf Befrei­ung von der Renten­ver­si­che­rungs­pflicht wird abge­lehnt. Die Befrei­ung von der Versi­che­rungs­pflicht ist u. a. nur möglich, wenn Sie am 31.12.1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 SGB VI versi­che­rungs­pflich­tige selb­stän­dige Tätig­keit ausge­übt haben. Diese Voraus­set­zung ist nicht erfüllt. Sie haben am 31.12.1998 keine von der Versi­che­rungs­pflicht erfasste Tätig­keit ausge­übt. Ein Befrei­ungs­an­trag war daher nicht erfor­der­lich.

vorge­druck­ter Text in einem Bescheid der BfA

Kritisch zu betrach­ten sind die beiden unter­stri­che­nen Aussa­gen: »nicht erfor­der­lich« im Kontext mit dem Eingangs­satz »wird abge­lehnt« verwirrt den Empfän­ger total. Der Antrag wird abge­lehnt, war aber gar nicht erfor­der­lich. Heißt das nun, dass nur der Antrag formal abge­lehnt wird und aus seinem Nicht­er­for­der­nis auf das Nicht­be­stehen einer Versi­che­rungs­pflicht geschlos­sen werden kann? In dem Bescheid ist keine Aussage für die Versi­che­rungs­pflicht enthal­ten. Besteht also viel­leicht doch für die Zukunft eine Versi­che­rungs­pflicht, weil die Voraus­set­zun­gen für die Befrei­ung nicht aner­kannt werden?

Gemeint war die erste Vari­ante. Die Wort­wahl führt jedoch zur Nach­frage oder zur Einle­gung eines Rechts­mit­tels. Diese Zwei­fel und den zusätz­li­chen Arbeits­auf­wand hätte man in etwa so vermei­den können:

Ihr Antrag auf Befrei­ung von der Renten­ver­si­che­rungs­pflicht ist nicht erfor­der­lich, weil Sie keine versi­che­rungs­pflich­tige selbst­stän­dige Tätig­keit nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 SGB VI ausüben.

Derar­tige Fehler lassen sich im Alltags­ge­schäft nicht immer vermei­den und sind deshalb entschuld­bar. Bei den hier aufge­führ­ten Beispie­len handelt es sich jedoch nicht um Texte aus Indi­vi­du­al­schrei­ben, sondern um vorge­druckte Text­bau­steine! Hier kann sich niemand damit heraus­re­den, dass eine Formu­lie­rung »durch­ge­rutscht« sei. Zur Gestal­tung von Vordru­cken und Formu­lie­rung von Text­bau­stei­nen steht immer genü­gend Zeit zur Verfü­gung und daran sind meist mehrere Perso­nen beteiligt.

Auf Nach­frage stellte sich heraus, dass für diesen Fall keine geeig­ne­ten Formu­lare exis­tier­ten und deshalb diese in etwa passende Fassung verwen­det wird.

Ein kurzes, frei formu­lier­tes Schrei­ben hätte es doch auch getan. Soviel Mehr­auf­wand wäre das wirk­lich nicht gewesen.

Häufig ist es zur Aufga­ben­er­fül­lung notwen­dig, über die Staats­an­ge­hö­rig­keit des Verwal­tungs­kun­den infor­miert zu sein. In einschlä­gi­gen Frage­bo­gen taucht dann häufig ein Feld mit der Beschrif­tung »Natio­na­li­tät« auf. Doch halt! Sind Natio­na­li­tät und Staats­an­ge­hö­rig­keit denn wirk­lich Synonyme?

Der Begriff der Natio­na­li­tät ist in seiner Ausle­gung sehr umstrit­ten. Je nach poli­ti­scher Inter­es­sen­lage wird er entwe­der auf ethni­sche Zusam­men­ge­hö­rig­keit bezo­gen oder auf das Gemein­we­sen eines Staa­tes. So legen zum Beispiel die Schwei­zer großen Wert darauf, dass die Schweiz eine Nation ist, unge­ach­tet der gerade dort beson­ders deut­lich erkenn­ba­ren ethni­schen Unter­schiede. Anderswo heben ethni­sche Minder­hei­ten gern hervor, dass sie eine eigene Nation seien. Deshalb soll­ten Sie sicher­heits­hal­ber immer das unver­fäng­li­chere und eindeu­tige Wort »Staats­an­ge­hö­rig­keit« verwenden!

Hier in Deutsch­land könnte z.B. ein Sorbe bei der Frage nach der Natio­na­li­tät völlig korrekt »sorbisch«1 eintra­gen. Da es aber in den meis­ten amtli­chen Frage­bo­gen auf die Staats­an­ge­hö­rig­keit ankommt, muss auch korrekt nach ihr gefragt werden.

1 Diskus­si­ons­bei­trag zu diesem Thema: »… und irgend ein unwis­sen­der Beam­ter west­lich der Elbe wird diesen Eintrag für einen Schreib­feh­ler halten und daraus serbisch machen.«

Inhaltlicher Aspekt: Ausführlichkeit

Amts­spra­che zeich­net sich aus durch

  • Weit­schwei­fig­keit,
  • über­trie­bene Genau­ig­keit (Pedan­te­rie),
  • Detail­ver­liebt­heit,
  • schwer nach­voll­zieh­bare innere Logik,
  • Wieder­ho­lun­gen,
  • über­flüs­sige Füllwörter.

Die in Behör­den­be­schei­den verwen­dete Spra­che ist detail­ver­liebt und weit­schwei­fig. Um nur keine gerichts­re­le­vante Klei­nig­keit zu über­se­hen, werden völlig klare und oft auch unstrit­tige Tatbe­stände in jedem Schrift­stück wieder­holt, häufig genug neu formu­liert und damit nicht selten kolpor­tiert. Dieser Ausfluss aus dem Exkul­pa­ti­ons­druck, dem der einzelne öffent­li­che Bediens­tete perma­nent ausge­setzt ist, wird aber vom Empfän­ger gar nicht so gese­hen, sondern eher als Schi­kane aufgefasst. 

Verstärkt wird die Unver­ständ­lich­keit durch die Eigen­hei­ten des in die Bescheid­s­pra­che über­schwap­pen­den juris­ti­schen Sozio­lekts. Die Verfas­ser amtli­cher Schrei­ben sind einer eige­nen Denk­weise verhaf­tet, die sich grund­le­gend vom allge­mei­nen Umgang mitein­an­der unter­schei­det. Dabei müssen nicht einmal obrig­keit­li­che Gründe für dieses Verhal­ten vorlie­gen, meist ist es »nur« eine Art von spezi­fi­scher Betriebs­blind­heit, die den Blick für die Belange des Bürgers beeinträchtigen.

Am 21.10.2015 beschloss das Bundes­ka­bi­nett die »Zweite Verord­nung über zwin­gende Arbeits­be­din­gun­gen im Stein­metz- und Stein­bild­hau­er­hand­werk (Zweite Stein­metz­ar­beits­be­din­gun­gen­ver­ord­nung – 2. Stein­metz­ArbbV)« und lieferte damit ein weite­res Beispiel für das Verste­cken des eigent­li­chen Sach­ver­halts in forma­lem Geschwurbel.

Die für die eigent­li­che Rege­lungs­dar­stel­lung entbehr­li­chen Text­teile sind hier zur Verdeut­li­chung durchgestrichen.

»Auf Grund des § 7 Absatz 1 und 2 in Verbin­dung mit Absatz 4 des Arbeit­neh­mer-Entsen­de­ge­set­zes, dessen Absätze 1 und 4 durch Arti­kel 6 Nummer 6 Buch­stabe b und c des Geset­zes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) geän­dert worden sind, verord­net das Bundes­mi­nis­te­rium für Arbeit und Sozia­les, nach­dem es den in den Geltungs­be­reich dieser Verord­nung fallen­den Arbeit­ge­bern, Arbeit­neh­mern und Arbeit­neh­me­rin­nen, den Parteien des Tarif­ver­trags nach § 1 Satz 1 dieser Verord­nung, den Parteien von Tarif­ver­trä­gen in der Bran­che mit zumin­dest teil­weise demsel­ben fach­li­chen Geltungs­be­reich sowie den pari­tä­tisch besetz­ten Kommis­sio­nen, die auf der Grund­lage kirch­li­chen Rechts Arbeits­be­din­gun­gen für den Bereich kirch­li­cher Arbeit­ge­ber zumin­dest teil­weise im Geltungs­be­reich dieser Rechts­ver­ord­nung fest­le­gen, Gele­gen­heit zur schrift­li­chen Stel­lung­nahme gege­ben hat:

Die in der Anlage zu dieser Verord­nung aufge­führ­ten Rechts­nor­men des Tarif­ver­trags zur Rege­lung eines Mindest­lohns im Stein­metz- und Stein­bild­hau­er­hand­werk vom 11. Februar 2015, abge­schlos­sen zwischen dem Bundes­ver­band Deut­scher Steinmetze/​Bundesinnungsverband des Deut­schen Stein­metz- und Stein­bild­hau­er­hand­werks, Weiß­kir­che­ner Weg 16, 60439 Frank­furt am Main, einer­seits, sowie die Indus­trie­ge­werk­schaft Bauen – Agrar – Umwelt, Bundes­vor­stand, Olof-Palme-Straße 19, 60439 Frank­furt am Main, ande­rer­seits, finden auf alle nicht an ihn gebun­de­nen Arbeit­ge­ber sowie Arbeit­neh­mer und Arbeit­neh­me­rin­nen Anwen­dung, die unter seinen am 1. Novem­ber 2015 gülti­gen Geltungs­be­reich fallen, wenn der Betrieb oder die selbst­stän­dige Betriebs­ab­tei­lung im Sinne des fach­li­chen Geltungs­be­reichs des Tarif­ver­trags über­wie­gend Bauleis­tun­gen im Sinne des § 101 Absatz 2 des Drit­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch erbringt. Die Rechts­nor­men des Tarif­ver­trags gelten auch für Arbeits­ver­hält­nisse zwischen einem Arbeit­ge­ber mit Sitz im Ausland und seinen im Geltungs­be­reich dieser Verord­nung beschäf­tig­ten Arbeit­neh­mern und Arbeit­neh­me­rin­nen. Wird ein Leih­ar­beit­neh­mer oder eine Leih­ar­beit­neh­me­rin von einem Entlei­her mit Tätig­kei­ten beschäf­tigt, die in den Geltungs­be­reich dieser Verord­nung fallen, so hat der Verlei­her ihm oder ihr nach § 8 Absatz 3 des Arbeit­neh­mer-Entsen­de­ge­set­zes (AEntG) zumin­dest die nach dieser Verord­nung vorge­schrie­be­nen Arbeits­be­din­gun­gen zu gewäh­ren; dies gilt auch dann, wenn der Betrieb des Entlei­hers nicht in den fach­li­chen Geltungs­be­reich dieser Verord­nung fällt.«

Das gesamte Drum­herum bis hin zu Adres­sen von betei­lig­ten Verbän­den ist für die Aussage völlig irrele­vant. (Wird die Verord­nung eigent­lich obso­let, wenn der Bundes­ver­band Deut­scher Steinmetze/​Bundesinnungsverband des Deut­schen Stein­metz- und Stein­bild­hau­er­hand­werks umzieht?)

Dass sich die eigent­li­che Aussage noch verständ­li­cher gestal­ten ließe, ist auch klar, denn wenn eine Vorschrift für alle … Arbeit­neh­mer gilt, bedarf es nicht noch der zusätz­li­chen Verein­nah­mung jener, die für auslän­di­sche Arbeit­ge­ber tätig sind. »Alle« umfasst nun mal alle! Die damit weite­ren 85 über­flüs­si­gen Wörter redu­zie­ren den wirk­lich normie­ren­den Teil der Vorschrift auf 40 % des gesam­ten Textes. Der Rest gehört besten­falls in eine Protokollnotiz.

Nicht nur Ämter, auch »die Wirt­schaft« und vor allem Pres­se­er­zeug­nisse verwen­den Flos­keln, die den Text aufblä­hen, um ihm mehr »Bedeu­tung« zu verschaf­fen, ohne zur Infor­ma­tion beizu­tra­gen. Manch­mal können sie auch miss­in­ter­pre­tiert werden.

Beispiele:

Wiedervorlage irgendwann

Eine gefähr­li­che Flos­kel ist der typi­sche Abschluss­satz in Mahnschreiben:

Soll­ten Sie in der Zwischen­zeit [gezahlt | geant­wor­tet | sonst­was gefor­der­tes getan] haben, betrach­ten Sie dieses Schrei­ben bitte als gegenstandslos.

Bei der ersten Erin­ne­rung mag der Satz ja noch halb­wegs berech­tigt sein, weil zwischen Verzugs­mel­dung der Kasse und Abgang des Schrei­bens häufig mehrere Wochen liegen.

Spätes­tens bei der zwei­ten Erin­ne­rung ist der Satz absurd!

Was kann der Absen­der daraus schlie­ßen, wenn sich der Empfän­ger nicht meldet? Nichts!

Möglich­keit 1: Der Empfän­ger hat schon [gezahlt | geant­wor­tet | sonst­was getan], dann ist beim Empfän­ger irgend­et­was schief gelau­fen, es muss also intern etwas unter­nom­men werden, um die Antwort /​Buchung zu finden.

Möglich­keit 2: Der Empfän­ger ist weiter unwil­lig, dann ist die Fort­set­zung des Mahn­ver­fah­rens sinnvoll.

Der Stan­dard-Ablauf ist der, Möglich­keit 1 auszu­schlie­ßen und das Verfah­ren fort­zu­set­zen. Dabei hat der Empfän­ger doch im Fall von Möglich­keit 1 genau das getan, was ihm aufge­tra­gen wurde.

Die Justiz­kasse Berlin unter­hält eine Nach­for­schungs­stelle, was den Schluss nahe­legt, dass unan­bring­bare Zahlun­gen nicht selten vorkom­men. Kein Wunder angesichts

  • endlos langer Kassen­zei­chen, die Fehl­an­ga­ben auf dem Über­wei­sungs­trä­ger fördern,
  • mehr­fach im Lauf eines Verfah­rens sich ändern­der Geschäfts­zei­chen und
  • maschi­nel­ler Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen hand­ge­schrie­be­ner Überweisungsträger.

Anstatt aber die unan­bring­ba­ren Zahlun­gen anhand der erkenn­ba­ren Daten zuzu­ord­nen, wartet die Nach­for­schungs­stelle ab, dass der Schuld­ner einen Beleg einsen­det. Auf diese Idee kommt der aber über­haupt nicht, den er hat ja gezahlt und soll sich deshalb nicht melden.

Regelmäßig missverstanden

Haben Sie die Tätig­keit regel­mä­ßig weni­ger als 15 Stun­den wöchent­lich ausgeübt?

Zeit­raum vom – bis /​seit

O nein O ja ___________________________________________


Lag Ihr regelmä­ßi­ges monat­li­ches Einkom­men (Gewinn) inner­halb der Einkom­mens­gren­zen für die Geringfügigkeit?

Zeit­raum vom – bis /​seit

O nein O ja ___________________________________________

aus einem Frage­bo­gen der BfA #6.1775

In beiden Fragen taucht das Wort »regel­mä­ßig« auf. Was heißt eigent­lich »regel­mä­ßig«? Einer Regel gehor­chend, das ist sehr weit­läu­fig und interpretationsfreudig.

In der ersten Frage kann es bedeu­ten, jeden Monat eine Woche, ansons­ten mehr – das wäre durch­aus »regel­mä­ßig«. Gemeint ist es aber hier wohl eher im Sinne von »gleich­blei­bend«, »durch­schnitt­lich« oder »durch­gän­gig«. Nur: Warum fragt man dann nicht entspre­chend, sondern verwen­det das schwam­mige Wort »regel­mä­ßig«?

In der zwei­ten Frage kommt bei der Inter­pre­ta­tion von »regel­mä­ßig« ein ande­rer Aspekt zum Tragen. Wie ist die Frage zu beant­wor­ten, wenn der Antrag­stel­ler kein regel­mä­ßi­ges (im oben genann­ten Sinn) Einkom­men hatte, sondern nur ein spora­di­sches und dann auch noch in der Höhe schwan­kend? Das ist keine akade­mi­sche Spitz­fin­dig­keit, sondern bei den für diesen Vordruck einschlä­gi­gen Berufs­grup­pen (Volks­hoch­schul­leh­rer, freie Trai­ner etc.) völlig normal. Es liegt dann kein regel­mä­ßi­ges Einkom­men vor, von einer regel­mä­ßi­gen Höhe ganz zu schwei­gen. Die Antwort lautet also folge­rich­tig »nein«, obwohl genau das Gegen­teil der Fall ist, denn in den meis­ten der genann­ten Fälle liegt das Jahres­durch­schnitts­ein­kom­men unter­halb der Geringfügigkeitsgrenze.

Gekrönt wird die Frage­stel­lung in beiden Fällen von der Termin­frage bei posi­ti­ver Antwort. Wenn schon »regel­mä­ßig« im genann­ten Sinne, dann kann es wohl nicht befris­tet gewe­sen sein.

Beide Fragen samt Termin­ab­frage wären in sich logisch und weni­ger miss­ver­ständ­lich, wenn man einfach auf das Wort »regel­mä­ßig« verzichtete.

Auch andere Wörter mit der Endung »-mäßig« trifft man häufig sinn­frei als Füll­sel an einschlä­gi­gen Schrift­stü­cken an (z. B. über­mä­ßig, verhält­nis­mä­ßig etc.) was mich zu einer Empfeh­lung verleitet. ⇒

Satire: Juristisch formulieren lernen in 5 Lektionen

Diese Anlei­tung ist zwar Satire, doch in ihr steckt offen­sicht­lich beim Vergleich mit Schrift­stü­cken von Anwäl­ten, Gerich­ten und Behör­den weit mehr als nur ein Körn­chen Wahrheit.

Ausgangs­punkt: Nehmen Sie einen ganz norma­len Satz.

Vielen Dank für Ihrem Brief; wir beant­wor­ten Ihre Fragen, sobald wir mit Herrn Müller darüber gespro­chen haben.

Lektion 1: Reichern Sie den Satz mit Substan­ti­ven an. Erset­zen Sie einfach alle Verben durch Haupt­wör­ter oder Streck­ver­ben. Und verges­sen Sie nicht, die Substan­tive mit der Endung »-ung« aufzublähen.

Vielen Dank für Ihren Brief; wir kommen in Beant­wor­tung Ihrer Fragen auf Sie zurück, sobald wir Rück­spra­che mit Herrn Müller gehal­ten haben.

Lektion 2: Anony­mi­sie­ren Sie (zur Wahrung des Amts­ge­heim­nis­ses und Daten­schut­zes) den Text.

Vielen Dank für das vorge­nannte Schrei­ben; die Unter­fer­tig­ten kommen in Beant­wor­tung der darin aufge­wor­fe­nen Fragen auf die Peten­ten zurück, sobald sie Rück­spra­che mit dem Mandan­ten gehal­ten haben.

Lektion 3: Über­tra­gen Sie alles ins Passiv.

Für das vorge­nannte Schrei­ben möch­ten wir uns bedan­ken; die Unter­fer­tig­ten werden in Beant­wor­tung der darin aufge­wor­fe­nen Fragen auf die Peten­ten zurück­kom­men, sobald ihrer­seits Rück­spra­che mit dem Mandan­ten gehal­ten werden konnte.

Lektion 4: Würzen Sie Ihre Arbeit mit unnö­ti­gen Adjek­ti­ven und Partizipien.

Bezug­neh­mend auf das vorge­nannte Schrei­ben möch­ten wir uns bedan­ken; die Unter­fer­tig­ten werden ins alsbal­di­ger Beant­wor­tung der darin aufge­wor­fe­nen inter­es­san­ten Fragen der Peten­ten umge­hend auf diese zurück­kom­men, sobald unse­rer­seits die unver­zicht­bare Rück­spra­che mit dem derzeit abwe­sen­den Mandan­ten gehal­ten werden konnte.

Lektion 5: Wenden Sie abschlie­ßend unbe­dingt noch einmal Lektion 1 an.

Bezug­neh­mend auf das vorge­nannte Schrei­ben möch­ten wir unse­ren Dank ausspre­chen; die Unter­fer­tig­ten werden in alsbal­di­ger Erle­di­gung zur Beant­wor­tung der darin aufge­wor­fe­nen inter­es­san­ten Fragen der Peten­ten umge­hend auf diese Bezug nehmen, sobald unse­rer­seits die unver­zicht­bare Rück­spra­che mit dem derzeit auf einer Reise befind­li­chen Mandan­ten gehal­ten werden konnte.

Kurt Tuchol­sky hat viele kriti­sche Texte geschrie­ben, und einer davon passt wunder­bar zu diesem Thema. (Es gibt ihn in mini­mal ange­pass­ter Form auch für lang­wei­lige Vorträge. Eigent­lich ist darin nur »schrei­ben« durch »erzäh­len« ersetzt, was die innige Verbin­dung zwischen Korre­spon­denz und Präsen­ta­tion bestätigt.)

Formaler Aspekt: Gestaltung

Amtli­che Schrei­ben zeich­nen sich häufig aus durch

  • schlecht lesbare Schrift,
  • unan­sehn­li­ches Äußeres,
  • unüber­sicht­li­che Gestal­tung des Textes,
  • unper­sön­li­che Formulierungen,
  • mangel­hafte Recht­schrei­bung und Grammatik.

Behör­den- und Gerichts­schrei­ben sind meist unan­sehn­lich, schlecht gestal­tet, unge­glie­dert – kurz: Es macht (abge­se­hen vom evtl. nega­ti­ven Inhalt und schlech­ten Stil) keine Freude, sie zu lesen. Ergänzt wird dieser nega­tive Eindruck durch mangel­hafte Recht­schrei­bung und Gram­ma­tik (letz­tere nicht nur in Auswir­kung des schlech­ten Stils), sowie durch vermeid­bare Tippfehler.


Bescheid, Gestal­tung vom IT-Verfah­ren diktiert

Weiter­hin ist in solchen Schrei­ben ein gewis­ser Hang zur Unhöf­lich­keit zu erken­nen, zum einen durch häufi­ges Fehlen einer Anrede und einer Unter­schrift, zum ande­ren durch Tipp­feh­ler im Namen des Adres­sa­ten. (Zum Leid des ewig falsch geschrie­be­nen Namens finden Sie am Schluss der Beispiele eine persön­li­che Anekdote.)

Leider reicht auch die verord­nete Höflich­keit häufig noch nicht aus, denn es scheint ein Sport gerade bei Verfah­rens­ent­wick­lern zu sein, die bear­bei­tende Stelle möglichst unhöf­lich erschei­nen zu lassen. So begin­nen die meis­ten Behör­den­schrei­ben zwar mit einer Anrede, doch kann man Absur­di­tä­ten wie … →

und ähnli­che wirk­lich als Anrede werten?

Sehr geehr­ter Steuerbürger …

Sehr geehr­ter Verkehrsteilnehmer …

Sehr geehr­ter Wohnungsinhaber …

Hat es sich da nicht jemand bei der Entwick­lung von Compu­ter­ver­fah­ren oder Vordru­cken zu einfach gemacht? Gerade bei Compu­ter­be­schei­den ist diese Form mehr als pein­lich, denn sie dient ja nicht einmal der Arbeits­er­leich­te­rung. Der Compu­ter kann für die Anschrift problem­los den Namen des Empfän­gers aus dem Daten­satz ziehen und korrekt ins Anschrif­ten­feld schrei­ben, aber für die Wieder­ho­lung in der Anrede sollen seine Fähig­kei­ten angeb­lich nicht reichen. Die Unfä­hig­keit liegt hier unzwei­fel­haft beim Entwickler!

Auch am Ende des Schrei­bens lässt die Höflich­keit manch­mal zu wünschen übrig. Schrei­ben ohne abschlie­ßende Gruß­for­mel sind ein Affront. Zum Glück hat sich hier schon viel geän­dert, selbst bei Gerich­ten, doch hat man dort versäumt, die zuge­hö­ri­gen Formu­lie­run­gen einer kriti­schen Syntax­ana­lyse zu unter­zie­hen. Eine Gruß­for­mel der Art

Mit freund­li­chen Grüßen

Auf Anord­nung

klingt jeden­falls nicht nach Verin­ner­li­chung des Dienst­leis­tungs­ge­dan­kens und »nicht wirk­lich« höflich. Was mögen das nur für Leute sein, denen man Freund­lich­keit anord­nen muss?

Natür­lich rührt dieser Eindruck aus der falschen Ausle­gung: Nicht die freund­li­chen Grüße wurden ange­ord­net, sondern die Ferti­gung und Absen­dung des gesam­ten Schrei­bens. Bei einer Schluss­for­mel mit »Im Auftrag« wäre das auch gar nicht auffäl­lig, denn jeder weiß, dass dieses »Im Auftrag« die im Geschäfts­le­ben übli­che Schluss­for­mel für ein Schrei­ben ist, das nicht von einem Mitglied der Firmen-/Behör­den­lei­tung unter­schrie­ben wird. »Auf Anord­nung« ist dafür jedoch unty­pisch, eine abso­lut gerichts­spe­zi­fi­sche Flos­kel, die außer­halb der Judi­ka­tive nicht verwen­det wird. Was hindert die Gerichte eigent­lich daran, von diesem Kaser­nen­hof­ton abzu­ge­hen und sich endlich dem im Geschäfts­le­ben übli­chen »Im Auftrag« anzuschließen?

Zur fehlen­den Unter­schrift beru­fen sich Behör­den gern auf eine Rege­lung des Verwal­tungs­ver­fah­rens­ge­set­zes (VwVfG). Dort heißt es in § 37:

(3) Ein schrift­li­cher oder elek­tro­ni­scher Verwal­tungs­akt muss die erlas­sende Behörde erken­nen lassen und die Unter­schrift oder die Namens­wie­der­gabe des Behör­den­lei­ters, seines Vertre­ters oder seines Beauf­trag­ten enthalten. …

(5) Bei einem schrift­li­chen Verwal­tungs­akt, der mit Hilfe auto­ma­ti­scher Einrich­tun­gen erlas­sen wird, können abwei­chend von Absatz 3 Unter­schrift und Namens­wie­der­gabe fehlen.

  1. Dazu seien drei Anmer­kun­gen gestattet:
  2. Der Begriff »auto­ma­ti­sche Einrich­tung« ist nirgendwo erläu­tert; die juris­ti­sche Fach­welt nennt sowas einen »unbe­stimm­ten Rechts­be­griff«. Die Voll­zugs­ver­wal­tun­gen legen ihn sehr weit aus, und ist nicht jeder Arbeits­platz-PC eine auto­ma­ti­sche Einrich­tung? In keiner Behörde wird mehr mit nicht-auto­ma­ti­schen Einrich­tun­gen gear­bei­tet, deshalb muss rein dem Geset­zes­text folgend gar nichts mehr unter­schie­ben werden. Es ist jedoch auch ein Akt der Höflich­keit gegen­über dem Adres­sa­ten, ein Schrei­ben zu unter­zeich­nen. (Ich möchte mal sehen, wie ein Amt oder Gericht reagiert, wenn ein an sie gerich­te­tes mit einer der Stan­dard­flos­keln, wie sie Ämter benut­zen, endet statt mit einer (rechts­ver­bind­li­chen) Unterschrift.)
  3. Es ist durch­aus einzu­se­hen, dass ein Sach­be­ar­bei­ter unmög­lich Massen­druck­sa­chen eigen­hän­dig unter­schrei­ben kann. Die aktu­elle – auch bei Gerich­ten und Behör­den verwen­dete – Tech­nik macht es jedoch leicht, anstatt alber­ner Flos­keln über auto­ma­ti­sche Geräte eine Faksi­mile-Unter­schrift einzu­bin­den. Warum auch die Namens­wie­der­gabe (hübsches Wort!) vom VwVfG unter­drückt wird, was sich ja auch schon in der behörd­li­chen Compu­ter­stein­zeit problem­los reali­sie­ren ließ, erschließt sich nun gar nicht.
  4. Beson­ders albern wirken Versu­che, Schrei­ben ohne Unter­schrift doch noch eine persön­li­che Note zu geben, indem »Ihr Finanz­amt« o. ä. darun­ter steht.

Sodann ist noch die erwei­terte Ausle­gung des § 37 (5) VwVfG zu nennen, wonach, wenn schon die Unter­schrift nicht erfor­der­lich ist, auch die Gruß­for­mel und am besten auch noch die Anrede entfal­len können.

Beides ist a.a.O. nicht genannt und gehört auch bei auto­ma­ti­sier­ten Schrei­ben unbe­dingt dazu.


Selt­sa­mer­weise müssen solche Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, auch »Umgangs­for­men« manchen Leuten per Verwal­tungs­vor­schrift (§ 49 Abs. 4 Satz 1 der Gemein­sa­men Geschäfts­ord­nung der Berli­ner Verwal­tung – Allge­mei­ner Teil – GGO I von 2011) beigebracht werden:

Im Schrift­ver­kehr mit Bürgern und Stel­len außer­halb der Verwal­tung sind grund­sätz­lich auch in Seri­en­brie­fen Anrede und Gruß­for­mel zu verwenden.

Es ist schon verblüf­fend: Obwohl allen Menschen bekannt ist, dass es unter­schied­li­che Ausdrucks­for­men und unter­schied­li­che Metho­den der Beschrei­bung gibt, benut­zen gerade die Autoren von Rechts­quel­len ausschließ­lich die verbale Darstel­lung, um einen Sach­ver­halt zu beschrei­ben. Darin sind sie konse­quent bis stur, selbst wenn die Beschrei­bungs­form abso­lut unge­eig­net ist. Spezi­ell die Steu­er­ge­setze erge­hen sich in umständ­li­chen Satz­kon­struk­tio­nen, die nichts ande­res enthal­ten als Berechnungsgrundlagen.

Die tarif­li­che Einkom­men­steuer, vermin­dert um die anzu­rech­nen­den auslän­di­schen Steu­ern und die Steu­er­ermä­ßi­gun­gen, vermehrt um die Steuer nach § 32d Absatz 3 und 4, die Steuer nach §34c Absatz 5 und den Zuschlag nach § 3 Absatz 4 Satz 2 des Forst­schä­den-Ausgleichs­ge­set­zes in der Fassung der Bekannt­ma­chung vom 26. August 1985 (BGBl. I S. 1756), das zuletzt durch Arti­kel 18 des Geset­zes vom 19. Dezem­ber 2008 (BGBl. I S. 2794) geän­dert worden ist, in der jeweils gelten­den Fassung, ist die fest­zu­set­zende Einkom­men­steuer. Wurde der Gesamt­be­trag der Einkünfte in den Fällen des § 10a Absatz 2 um Sonder­aus­ga­ben nach § 10a Absatz 1 gemin­dert, ist für die Ermitt­lung der fest­zu­set­zen­den Einkom­men­steuer der Anspruch auf Zulage nach Abschnitt XI der tarif­li­chen Einkom­men­steuer hinzu­zu­rech­nen; bei der Ermitt­lung der dem Steu­er­pflich­ti­gen zuste­hen­den Zulage bleibt die Erhö­hung der Grund­zu­lage nach § 84 Satz 2 außer Betracht. Wird­das Einkom­men in den Fällen des § 31 um die Frei­be­träge nach § 32 Absatz 6 gemin­dert, ist der Anspruch auf Kinder­geld nach Abschnitt X der tarif­li­chen Einkom­men­steuer hinzuzurechnen.

§ 2 Abs. 6 EStG 2014

Zum Berech­nen gibt es aber zwei wesent­lich geeig­ne­tere Darstel­lungs­for­men: die Formel und die Tabelle. Formeln sind für viele Menschen schwer zu verste­hen, deshalb ist die Berech­nungs­ta­belle der probate Weg.

tarif­li­che Einkommensteuer

- anzu­rech­nende auslän­di­sche Steuern 

- Steu­er­ermä­ßi­gun­gen

+ Steuer nach § 32d Absatz 3 und 4 

+ Steuer nach §34c Absatz 5 

+ Zuschlag nach § 3 Absatz 4 Satz 2 des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes

= fest­zu­set­zende Einkom­men­steuer 

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Das Perverse daran ist auch, dass für die Bear­bei­tung der verbal im Gesetz beschrie­bene Berech­nungs­weg ohne­hin in eine Tabel­len­form über­führt werden muss. Warum dann nicht gleich eine Tabelle?

Einen exklu­si­ven Namen zu tragen, hat einen großen Nach­teil: Dauernd wird er falsch geschrie­ben. Das fehlende zweite »t« ist dabei noch die einfachste Form der Verhun­zung; ich habe bis zum »Ertl« schon alle Vari­an­ten erlebt.

(Ich glaube, Wert­hers Depres­sio­nen rühr­ten auch von dauern­den Fehl­schrei­bun­gen seines Namens her, das hat uns Goethe – auch so ein falsch­schreib­träch­ti­ger Name – nur verschwiegen.)

Das mag ja auch alles ange­hen, solange es nicht amtli­che Stel­len sind, die meinen Namen falsch schrei­ben. Bei einge­hen­den Schrei­ben sind sie pinge­lig wie sonst­was, dass auch alles korrekt ist (fast hätte ich hier »Korin­then­ka­cker« geschrie­ben), aber was das Haus verlässt, kann ruhig vor Fehlern strotzen.

Also zur Sache:


Ich war mal vor Gericht gela­den – im doppel­ten Sinne: Welcher Hafer sticht diese Leute eigent­lich, stän­dig die Vorsilbe »Ein-« bei der Ladung wegzu­las­sen? Eine perma­nente Unhöf­lich­keit gegen­über dem Bürger! Und ich war auch gela­den, weil mal wieder das zweite »t« fehlte!

Vor meiner Aussage dann die übli­che Frage der Rich­te­rin: »Sind Sie Herr Burk­hard Oerttel?«

Ich: »Kommt drauf an.«

Rich­te­rin: »Wie meinen Sie das jetzt, bitte?«

Ich: »Wenn Sie auf der Schreib­weise meines Namens in der Ladung bestehen, bin ich es nicht.«

Rich­te­rin, an den Proto­koll­füh­rer gewandt: »Wie steht er denn in der Akte?«

Proto­koll­füh­rer: »O‑e-r-t-t-e‑l«

Ich: »So ist’s korrekt. Warum schrei­ben Sie ihn dann in der Ladung falsch?«

Rich­te­rin und Proto­koll­füh­rer guck­ten mich mit einem Gesichts­aus­druck an, der besagte: »Was bist’n du für’n Arsch?«


Zur Klar­stel­lung: Ich bin keines­wegs ein Pedant, im Gegen­teil, ich lass gern mal Fünfe gerade sein, aber wenn haupt­amt­li­che Pedan­ten schlu­dern, spezi­ell solche, die selbst beson­ders pedan­tisch sind, dann hau ich bei passen­der Gele­gen­heit zurück.

In der Verhand­lung ging es übri­gens lt. Ladung um einen Unfall in der Mauren­al­lee in Berlin. Wie, Sie haben von dieser Straße noch nie gehört? Kein Wunder, gibt es in ganz Berlin nicht, weshalb ich mir eine zweite flap­sige Bemer­kung nicht verknei­fen konnte: Ich sei nie in meinem Leben in der Mauren­al­lee gewe­sen und wisse gar nicht, wo die denn wäre. Die Rich­te­rin wies dann darauf hin, dass es um die Masu­ren­alle gehe, worauf ich mit einem »Achso!« und Wedeln mit meiner Ladung reagierte.

Darum dieser wich­tige Rat:

Achten Sie auf korrekte Schreib­weise aller Daten!

Der Form­feh­ler ist der größte Feind der Ordnungs­ver­wal­tun­gen und Gerichte.