Die in Behördenbescheiden verwendete Sprache ist detailverliebt und weitschweifig. Um nur keine gerichtsrelevante Kleinigkeit zu übersehen, werden völlig klare und oft auch unstrittige Tatbestände in jedem Schriftstück wiederholt, häufig genug neu formuliert und damit nicht selten kolportiert. Dieser Ausfluss aus dem Exkulpationsdruck, dem der einzelne öffentliche Bedienstete permanent ausgesetzt ist, wird aber vom Empfänger gar nicht so gesehen, sondern eher als Schikane aufgefasst. Verstärkt wird die Unverständlichkeit durch die Eigenheiten des in die Bescheidsprache überschwappenden juristischen Soziolekts. Die Verfasser amtlicher Schreiben sind einer eigenen Denkweise verhaftet, die sich grundlegend vom allgemeinen Umgang miteinander unterscheidet. Dabei müssen nicht einmal obrigkeitliche Gründe für dieses Verhalten vorliegen, meist ist es »nur« eine Art von spezifischer Betriebsblindheit, die den Blick für die Belange des Bürgers beeinträchtigen.
Kurt Tucholsky als Warner vor langweiligen Briefen
Veröffentlicht am 14.06.2014
Tucholsky hat viele kritische Texte geschrieben, und einer davon passt wunderbar zum Thema dieser Seiten.
(Es gibt ihn in minimal angepasster Form auch für langweilige Vorträge. Eigentlich ist darin nur »schreiben« durch »erzählen« ersetzt, was die innige Verbindung zwischen Korrespondenz und Präsentation bestätigt.
Juristisch formulieren lernen in 5 Lektionen
Veröffentlicht am 14.06.2014
Diese Anleitung ist zwar Satire, doch in ihr steckt offensichtlich beim Vergleich mit Schriftstücken von Anwälten, Gerichten und Behörden weit mehr als nur ein Körnchen Wahrheit.